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Das Karpatenschloß

Das Karpatenschloß

Titel: Das Karpatenschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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herbeischaffen.«
    »Doch recht schnell.«
    »Augenblicklich!«
    Jonas sprang in Richtung Küche, als ihn eine Frage zu-
    rückhielt.
    »Ihr Gasthaus scheint sich keineswegs zahlreichen Be-
    suchs zu erfreuen?« sagte Franz von Telek.
    »Allerdings, augenblicklich ist überhaupt niemand hier,
    Herr Graf.«
    »Ist das jetzt nicht die Zeit, wo die Leute hier gewöhnlich
    einen Schluck trinken und eine Pfeife rauchen?«
    »Diese Zeit, Herr Graf, ist schon vorüber, denn im Dorf
    Werst geht man mit den Hühnern zu Bett.«
    Um alles in der Welt hätte er nicht mitteilen mögen, wa-
    rum sich im »König Mathias« kein einziger Gast eingefun-
    den hatte.
    »Euer Dorf zählt doch wohl zwischen 400 und 500 Be-
    wohner?«
    »Annähernd so viel Herr Graf.«
    »Wir sind aber keiner einzigen Seele begegnet, als wir die
    Hauptstraße herunter kamen.«
    »Ja, das heißt, es ist ja Samstag, und am Vorabend des
    Sonntags ...«
    — 150 —
    Zum Glück für Jonas, der schon keine Antwort mehr
    wußte, erkundigte sich Franz von Telek nicht weiter.
    Der Gastwirt hätte sich ja niemals entschließen können,
    die eben herrschende Lage einzugestehen. Seiner Meinung
    nach erfuhren die Fremden davon zeitig genug, und wer
    weiß, ob sie sich dann nicht beeilten, ein Dorf zu verlassen,
    das von so seltsamen Dingen in Schrecken versetzt war.
    »Wenn nur die Geisterstimme nicht wieder zu schwat-
    zen anfängt, während sie essen!« dachte Jonas, als er einen
    Tisch in der Mitte des Zimmers zurechtmachte.
    Nach kurzer Zeit war die von dem jungen Grafen ver-
    langte höchst einfache Mahlzeit auf einem blendend wei-
    ßen Tischtuch aufgetragen. Franz von Telek setzte sich, und
    Rotzko nahm, wie er es auf der Reise stets getan, ihm gegen-
    über Platz. Beide aßen mit trefflichem Appetit, und als sie
    satt waren, verschwand jeder in seinem Zimmerchen.
    Da der junge Graf und Rotzko während des Abendbrots
    keine zehn Worte miteinander gewechselt hatten, konnte
    sich Jonas – sehr zu seinem Leidwesen – nicht in ihre Un-
    terhaltung mischen. Franz von Telek schien übrigens wenig
    mitteilsam zu sein, und was Rotzko betraf, so glaubte der
    Gastwirt, als er diesen genauer beobachtet, daß er auch von
    ihm etwas Näheres über die Familie seines Herrn schwer-
    lich werde erfahren können.
    Jonas hatte sich also begnügen müssen, seinen Gästen
    gute Nacht zu wünschen. Ehe er zu seinem Mansardenstüb-
    chen hinaufging, sah er sich im ganzen Gastzimmer sorg-
    sam um, horchte auf das leiseste Geräusch im Innern und
    — 151 —
    von draußen und murmelte wiederholt vor sich hin: »Wenn
    jene vermaledeite Stimme sie nur nicht aus dem Schlaf
    weckt!«
    Die Nacht verlief in friedlicher Stille.
    Am anderen Morgen hatte sich schon sehr frühzeitig die
    große Neuigkeit verbreitet, daß im Gasthaus zum ›König
    Mathias‹ zwei Reisende abgestiegen waren, und flugs liefen
    eine Menge Leute vor dem Haus zusammen.
    Von ihrer gestrigen Wanderung sehr ermüdet, lagen
    Franz von Telek und Rotzko noch in tiefem Schlummer.
    Es schien, als ob sie vor 7 oder 8 Uhr nicht aufzustehen ge-
    dachten.
    Die neugierigen Leute wurden damit auf eine harte Ge-
    duldsprobe gestellt, fanden aber doch nicht den Mut, das
    Gastzimmer eher zu betreten, als bis die Reisenden aus ih-
    ren Schlafzimmern gekommen wären.
    Schlag 8 Uhr tauchten beide gleichzeitig auf.
    In der Nacht war ihnen nichts Schlimmes widerfahren,
    denn sie gingen sorglos in der Gaststube hin und her. Dann
    setzten sie sich hin, um sich durch ein Frühstück zu stär-
    ken.Das sah doch ziemlich beruhigend aus.
    Jonas, der freundlich lächelnd auf der Schwelle der nach
    außen führenden Tür stand, lud seine alten Stammgäste ein,
    ihn doch wieder mit ihrem Vertrauen zu beehren. Da der
    Reisende, der den ›König Mathias‹ mit seiner Anwesen-
    heit beehrte, ein Edelmann war – ja, ja, ein rumänischer
    Edelmann, und aus einer der ältesten Adelsfamilien oben-
    — 152 —
    drein –, was konnte man dann in so vornehmer Gesellschaft
    zu fürchten haben?
    Kurz, Meister Koltz, der sich verpflichtet fühlte, mit gu-
    tem Beispiel voranzugehen, wagte es, den auf den Leuten
    lastenden Bann zu brechen.
    Es war gegen 9 Uhr, als der Biró etwas zögernd eintrat.
    Fast sofort folgten ihm der Magister Hermod, drei oder vier
    alte Stammgäste und der Schäfer Frik. Doktor Patak hatte
    sich allerdings nicht entschließen können, sie zu begleiten.
    »Ich soll wieder einen Fuß in Jonas’ Haus setzen«, rief
    er.

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