Das Karpatenschloß
»Niemals! Und wenn er mir den Besuch mit 10 Gulden
bezahlte!«
Hier müssen wir zur Aufklärung eine nicht unwichtige
Bemerkung einflechten. Wenn Meister Koltz sich herbeige-
lassen hatte, wieder in den ›König Mathias‹ zu gehen, ge-
schah das nicht nur in der Absicht, ein Gefühl der Neugier
zu befriedigen, auch nicht in dem Wunsch, sich mit dem
Grafen Telek in Verbindung zu setzen – nein, es war zum
nicht geringen Teil das Geldinteresse, das seinen Entschluß
gezeitigt hatte.
Als Durchreisender hatte der junge Graf für sich und
seinen Soldaten eine Wegabgabe zu zahlen, und der Leser
wird sich erinnern, daß deren Ertrag unmittelbar der Ta-
sche des ersten Beamten in Werst zufloß.
Der Biró machte also seine Ansprüche in der höflichsten
Form geltend, und Franz von Telek beeilte sich, wenn auch
etwas verwundert über ein solches Verlangen, die merkwür-
dige Steuer zu entrichten.
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Er lud Meister Koltz und Magister Hermod sogar ein, an
seinem Tisch ein wenig Platz zu nehmen. Beide nahmen die
so freundliche Einladung – da sie nicht wohl anders konn-
ten – stillschweigend an.
Jonas beeilte sich, verschiedene Liköre, das beste, was
sein Keller barg, vorzusetzen. Da verlangten auch einige
Bewohner von Werst für sich »eine Runde«. So konnte man
glauben, daß die kurze Zeit verstreute alte Kundschaft des
Hauses den gewohnten Weg nach dem ›König Mathias‹ bald
wieder wie früher finden würde.
Nachdem Franz von Telek die örtliche Fremdensteuer
entrichtet hatte, wünschte er zu wissen, ob diese denn auch
einträglich sei.
»Nicht so, wie wir es wünschten, Herr Graf«, erklärte der
Meister Koltz.
»Dieser Teil Transsilvaniens wird wohl nur wenig von
Reisenden besucht?«
»Leider recht selten«, erwiderte der Biró, »und das Land
verdiente doch besser besucht zu werden.«
»Das ist auch meine Ansicht; was ich bis jetzt davon ge-
sehen habe, scheint mir alle Aufmerksamkeit von Reisen-
den zu verdienen. Vom Gipfel des Retyezat aus habe ich die
schönen Täler der Sil bewundert, die Städtchen und Flecken,
die im Osten zu sehen sind, und nicht minder die Bergkette,
die der Karpatenstock im Hintergrund abschließt.
»Ja, das ist alles recht schön, Herr Graf, wunderschön«,
versetzte Magister Hermod, »und um Ihren Ausflug noch
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ergiebiger zu gestalten, sollten Sie nun auch noch den Pa-
ring ersteigen.«
»Ich fürchte, ich dazu nicht die nötige Zeit«, antwortete
Franz von Telek.
»Na, dazu würde schon ein Tag ausreichen.«
»Gewiß, mein Weg führt aber nach Karlsburg, wohin ich
morgen aufzubrechen denke.«
»Wie, der Herr Graf will uns schon so bald wieder verlas-
sen?« fragte Jonas mit der verbindlichsten Miene der Welt.
Er hätte es natürlich nicht ungern gesehen, wenn seine
Gäste den Aufenthalt im ›König Mathias‹ verlängerten.
»Es muß sein«, erwiderte Franz von Telek; »wozu sollte
es auch nützen, wenn ich noch länger in Werst bliebe?«
»Sie dürfen glauben, daß es sich für Touristen lohnt, ei-
nige Zeit in unserem Dorf zu verweilen«, bemerkte Meister
Koltz.
»Es scheint jedoch wenig besucht zu sein«, versetzte der
Graf, »und doch wahrscheinlich, weil seine nächsten Umge-
bungen keine Sehenswürdigkeiten bieten.«
»Ja sicher, keine besonderen Sehenswürdigkeiten!« gab
der Biró zu, dem schon das fatale Schloß durch den Kopf
fuhr.
»Nein, nein, etwas Sehenswürdiges nicht!« versicherte
auch der Schulmeister.
»Oho! Oho!« fiel da der Schäfer Frik ein, dem dieser
Ausruf eher unwillkürlich entschlüpfte.
Da guckten ihn aber Meister Koltz und die anderen
schön an, besonders der besorgte Gastwirt. War es denn
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unbedingt notwendig, einen Fremden in die Geheimnisse
des Landes einzuweihen? Ihn über das aufzuklären, was
auf dem Plateau des Orgall vorging? Seine Aufmerksam-
keit auf das Karpatenschloß zu lenken, wenn man ihn nicht
bloß erschrecken und ihm nahelegen wollte, recht bald aus
dem Dorf zu scheiden? Welcher Reisende würde dann spä-
ter noch den Weg über den Vulcanrücken einschlagen, um
nach Transsilvanien zu gelangen?
Wahrlich, dieser Schäfer zeigte nicht mehr Verstand, als
das geringste seiner Schafe.
»So schweig doch Dummkopf, schweig doch still!«
raunte ihm Meister Koltz zu.
Trotzdem war die Neugier des jungen Grafen schon
wachgerufen; er wandte sich deshalb unmittelbar an Frik
und fragte ihn, was seine Ohos denn zu bedeuten
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