Das Karpatenschloß
hätten.
Der Schäfer war nicht der Mann, sich einschüchtern zu
lassen, und vielleicht dachte er hier, Franz von Telek könnte
vielleicht einen guten Rat geben, der dem Dorf von Nutzen
wäre.
»Nun ja, ich habe ›Oho! Oho!‹ gesagt, Herr Graf, und da-
bei bleib’ ich auch.«
»Gibt es denn hier in der Nähe von Werst irgendein
Wunderding, das man besichtigen könnte?« fuhr der junge
Graf fort.
»Ein Wunderding«, ließ Meister Koltz sich vernehmen.
»Nein! Nein!« riefen die andern wie aus einem Mund.
Die Leute entsetzten sich schon bei dem Gedanken,
daß es zu einem zweiten Versuch kommen könnte, in die
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Burg einzudringen, wodurch nur neues Unheil entstehen
konnte.
Nicht ohne einige Verwunderung betrachtete Franz von
Telek die wackeren Dörfler, deren Gesichter in verschiede-
ner, doch sehr bezeichnender Weise den Schrecken aus-
drückten, der sie durchbebte.
»Nun, was gibt es denn!« fragte er.
»Was es gibt, Herr Graf ?« meldete sich Rotzko. »Nun
denn, wie es scheint, das Karpatenschloß.«
»Das Karpatenschloß?«
»Ja, wenigstens raunte mir der Schäfer dieses Wort ins
Ohr.«
Hierbei zeigte er auf Frik, der den Kopf schüttelte, ohne
dabei jedoch den Biró anzusehen.
Jetzt war eine Bresche geschlagen in die Privatangele-
genheiten des abergläubischen Dorfs, und bald schlüpfte
auch seine ganze Geschichte durch diese Bresche.
Meister Koltz, der nun wohl oder übel zu einem Ent-
schluß kommen mußte, wollte dem jungen Grafen die Sa-
che selbst erläutern und erzählte nun alles, was das Karpa-
tenschloß betraf.
Verständlicherweise konnte Franz von Telek das Erstau-
nen, das diese Erzählung in ihm weckte, und die Gefühle,
die sie ihm erregte, nicht verbergen. Wenn auch nur dürf-
tig unterrichtet in wissenschaftlichen Dingen, wie die aller-
meisten jungen Leute in seiner Stellung, die auf ihren tief
in der Walachei liegenden Schlössern weilten, war er doch
ein Mann von gesundem Menschenverstand. Auch glaubte
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er wenig an Geistererscheinungen und verlachte die darü-
ber umlaufenden Märchen. Eine von Geistern verzauberte
Burg, so etwas mußte schon seine Ungläubigkeit herausfor-
dern. Seiner Ansicht nach lag in dem, was Meister Koltz be-
richtet hatte, noch gar nichts Wunderbares, sondern einzig
verschiedene mehr oder weniger richtig beobachtete Tat-
sachen, denen nur die Bewohner von Werst übernatürliche
Ursachen zuschrieben. Der Rauch aus dem Wartturm, die in
starken Schlägen ertönende Glocke – das ließ sich ja wohl
höchst einfach erklären. Was die blitzartigen Erscheinungen
und das Geheul betraf, die beide von der Umfassungsmauer
ausgegangen sein sollten, so hielt er diese nur für Bilder er-
regter Phantasie.
Franz von Telek genierte sich nicht, das auszusprechen
und zum stillen Ingrimm seiner Zuhörer darüber zu scher-
zen.»Aber, Herr Graf«, bemerkte da Meister Koltz, »das war
ja noch nicht alles.«
»Nicht alles?«
»Nein! Es ist nämlich auch unmöglich, in das Karpaten-
schloß einzudringen.«
»Wirklich?«
»Unser Förster und unser Doktor haben versucht über
die Mauer zu gelangen, erst vor wenigen Tagen, aus Liebe zu
unserem Dorf. Sie hätten diesen Versuch aber fast mit dem
Leben bezahlt.«
»Was ist ihnen denn widerfahren?« fragte Franz von Te-
lek in ziemlich spöttischem Ton.
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Meister Koltz erzählte nun eingehend die Abenteuer von
Nic Decks und Doktor Patak.
»Als der Doktor also«, sagte der junge Graf, »den Graben
verlassen wollte, da wurden seine Füße am Boden so festge-
halten, daß er keinen Schritt vorwärtsmachen konnte?«
»Keinen Schritt, weder vor- noch rückwärts!« fügte Ma-
gister Hermod hinzu.
»Das wird er nur geglaubt haben, Euer Doktor«, erwi-
derte Franz von Telek, »und es war nur die Angst, die ihm
bis in die Beine, ja bis in die Füße gefahren war.«
»Zugegeben, Herr Graf«, antwortete Meister Koltz. »Wie
läßt sich aber erklären, daß Nic Deck einen furchtbaren
Schlag erhielt, als er das Eisenwerk der Zugbrücke be-
rührte.«
»Das war irgendein Schelmenstreich, dem er zum Opfer
fiel.«
»Ja, doch ein so schlechter, daß er noch heute davon bett-
lägrig ist«, ergänzte der Biró.
»Hoffentlich nicht in Lebensgefahr?« fiel ihm der junge
Graf ins Wort.
»Nein, zum Glück nicht.«
Hier lag ja eine offenbar nicht wegzuleugnende Tatsache
vor, und Meister Koltz sah gespannt deren Erklärung
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