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Das Karpatenschloß

Das Karpatenschloß

Titel: Das Karpatenschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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zu erklim-
    men, kostete es noch eine gute Stunde tüchtiger Anstren-
    gung. Es schien wirklich, als hätte sich das Karpatenschloß
    schon durch die Unwegsamkeit seiner Umgebung allein
    verteidigen können. Rotzko hoffte auch, vielleicht noch auf
    solche Hindernisse zu treffen, die sie unmöglich überwälti-
    gen könnten. Doch das erfüllte sich nicht.
    Jenseits der Zone der Felsblöcke und Erdaushöhlungen
    wurde endlich der vordere Rand der Hochfläche des Orgall
    ereicht. Von hier aus zeigten sich die Formen des Schlosses
    ganz klar in der öden Umgebung, von der die Angst alle Be-
    wohner des Landstrichs schon seit Jahren fernhielt.
    Franz und Rotzko wollten von der nach Norden zu ge-
    richteten Steinmauer der Burg an sie herankommen.
    Waren Doktor Patak und Nic Deck an die östliche Ver-
    bindungsmauer der Bastionen gekommen, so kam das da-
    her, daß sie die linke Seite des Plesa erklommen, den Nyad,
    einen anderen Bergbach und die auf den Bergrücken hin-
    führende Straße links hatten liegen lassen. Die beiden Wege
    bildeten zusammen nämlich einen weit offenen Winkel,

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    dessen Scheitelpunkt der Wartturm in der Mitte war. Von
    der Nordseite her wäre es übrigens ganz unmöglich gewe-
    sen, die Umfassungsmauer zu ersteigen, und hier gab es
    auch weder ein Tor noch eine Zugbrücke, die Verbindungs-
    mauer erhob sich nur, den Unebenheiten der Bodenfläche
    folgend, steil zu großer Höhe.
    Nun lag ja auch gar nichts daran, daß von hier aus jeder
    Zutritt unmöglich gemacht war, denn der junge Graf dachte
    ja nicht im geringsten daran, durch die Mauer der Burg vor-
    zudringen.
    Es war bereits halb 8, als Franz von Telek und Rotzko am
    äußeren Rand des Plateaus des Orgall anlangten. Vor ihnen
    erhob sich nun im Halbdunkel das trotzige Gemäuer, dessen
    Farbe mit der der Felsen der Plesa ziemlich verschwamm.
    Links machte die Umfassungsmauer einen scharfen Win-
    kel, an dem eine Bastion vorsprang. Hier ragte über die mit
    Zinnen gekrönte Brustwehr hinaus die alte Buche, deren
    verdrehte Äste von der Gewalt des Südweststurms in dieser
    Höhe zeugten.
    Der Schäfer Frik hatte sich wirklich nicht getäuscht.
    Wenn man der Legende Glauben schenkte, so versprach
    diese der alten Burg der Barone von Gortz nur noch einen
    Bestand von 3 Jahren.
    Schweigend betrachtete Franz das Gesamtbild des von
    einem mächtigen Wartturm in der Mitte beherrschten Bau-
    werks. Hier unter diesem regellosen Steinhaufen verbar-
    gen sich sicher gewölbte, weite, jeden Laut wiedergebende
    Räume, Vorsäle, die Irrgänge bildeten, tief im Erdboden
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    versenkte Verließe, wie sie in den alten Schlössern der Mag-
    yaren häufig anzutreffen sind. Keine andere Wohnstätte als
    dieser alte Rittersitz konnte dem letzten Sproß des Hauses
    von Gortz geeigneter erscheinen, sich in einer Vergessen-
    heit zu begraben, deren Geheimnisse niemand zu enträtseln
    vermochte. Je mehr der junge Graf darüber nachdachte,
    desto mehr klammerte er sich an die Vorstellung, daß Ru-
    dolph von Gortz sich hinter die einsamen Wälle seines Kar-
    patenschlosses geflüchtet habe.
    Nichts verriet übrigens die Anwesenheit von Bewohnern
    im Innern des Wartturms. Kein Rauchwölkchen entstieg sei-
    nen Schornsteinen, kein Laut drang aus den fest geschlosse-
    nen Fenstern. Nichts – nicht einmal der Schrei eines Vogels
    unterbrach die Totenstille dieser düsteren Wohnung.
    Eine Zeitlang verschlang Franz mit fast gierigen Blicken
    diesen Mauerkranz, der einst von rauschenden Festen und
    Waffengeklirr widerhallte. Er schwieg aber, denn seine Ge-
    danken bedrückten ihn allzu sehr, und wie ein Alp lag die
    Erinnerung auf seinem Herzen.
    Rotzko, der seinen Herrn sich selbst zu überlassen
    wünschte, hatte sich etwas zur Seite begeben; er würde es
    nicht gewagt haben, den Grafen durch die kürzeste Bemer-
    kung zu stören. Als die Sonne aber hinter der Bergmasse
    des Plesa versank, und der Schatten in das Tal der beiden Sil
    einzog, da zögerte er nicht länger.
    »Herr Graf«, begann er, »es ist bereits Abend geworden.
    Es wird bald 8 Uhr sein.«
    Franz schien ihn gar nicht zu hören.
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    »Es ist Zeit aufzubrechen«, fuhr Rotzko fort, »wenn wir
    nach Livadzel kommen wollen, ehe man dort die Gasthöfe
    schließt.«
    »Noch einen Augenblick, Rotzko. Ja, in einem Augen-
    blick bin ich bereit«, antwortete Franz.
    »Wir brauchen eine gute Stunde, gnädiger Herr, ehe wir
    die Straße auf dem Berg wieder erreichen, und

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