Das Karpatenschloß
machen.«
»Warum das, Herr Graf ?«
»Oh, ich möchte das berüchtigte Karpatenschloß we-
nigstens einmal aus der Nähe sehen.«
»Was kann das aber nützen?«
»Es ist eben eine Laune, Rotzko, ein plötzlicher Einfall,
der uns keinen halben Tag aufhalten wird.«
Rotzko schien etwas verstimmt über diesen Entschluß,
der ihm so völlig zwecklos vorkam. Er suchte alles, was den
jungen Grafen zu lebhaft an die Vergangenheit erinnern
konnte, von diesem abzuhalten. Diesmal war das vergeb-
lich, er begegnete heute einem unwiderruflichen Entschluß
seines Herrn.
Franz fühlte sich wie durch einen unwiderstehlichen
Einfluß zur Burg hingezogen. Ohne daß er sich darüber Re-
chenschaft gab, stand diese Anziehung vielleicht mit dem
Traum in Verbindung, in dem er das Klagelied La Stillas von
der Stimme La Stillas gehört hatte.
Doch hatte er denn wirklich geträumt? Jetzt stellte er sich
doch diese Frage, da ihm einfiel, daß in derselben Gaststube
des ›König Mathias‹ der Versicherung der Leute nach schon
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einmal eine Stimme zu hören gewesen war – jene Stimme,
deren Drohung Nic Deck so unklugerweise mißachtet hatte.
Bei der geistigen Verfassung, in der der junge Graf sich be-
fand, kann es deshalb nicht wunder nehmen, daß er sich zu
dem Karpatenschloß begeben und wenigstens bis zum Fuß
der alten Mauern emporsteigen wollte, doch ohne die Ab-
sicht, in jene einzudringen.
Selbstverständlich hielt es Franz von Telek für angezeigt,
den Bewohnern von Werst gegenüber nichts von seiner Ab-
sicht verlauten zu lassen. Diese Leute wären imstande gewe-
sen, sich an Rotzko heranzudrängen, um diesem jede Annä-
herung an die Burg auszureden, und darum hatte er seinem
Diener streng untersagt, von seiner Absicht zu sprechen.
Wenn man sie die Dorfstraße nach dem Siltal zu gehen
sah, zweifelte sicher niemand daran, daß sie den Weg nach
Karlsburg einschlagen wollten. Von der Höhe der Terrasse
aus hatte er aber bemerkt, daß noch ein anderer Weg vom
Fuß des Retyezat zum Rücken des Vulcan führte. Dadurch
wurde es möglich, bis zum Kamm des Plesa hinaufzukom-
men, ohne das Dorf wieder zu berühren und folglich, ohne
von Meister Koltz oder einem anderen gesehen zu werden.
Gegen Mittag und nachdem er ohne Widerspruch die
etwas gepfefferte Rechnung des Gastwirtes beglichen – die
ihm dieser mit dem verbindlichsten Lächeln übergab, rüs-
tete sich Franz von Telek fortzugehen.
Meister Koltz, die hübsche Miriota, Magister Hermod,
Doktor Patak, der Schäfer Frik und eine Anzahl anderer
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Dorfbewohner waren herbeigeströmt, um ihm Lebewohl zu
sagen.
Selbst der junge Förster hatte sein Zimmer verlassen
können, und man erklärte, daß er bald wieder ganz auf den
Füßen sein werde – was der Ex-Krankenpfleger einzig sei-
ner Kunst zuschrieb.
»Ich mache Ihnen mein Kompliment, Nic Deck«, wandte
sich der Graf an diesen, »Ihnen und Ihrer Verlobten.«
»Und wir nehmen das mit herzlichem Dank an«, erwi-
derte das junge Mädchen, vor Glück errötend.
»Reisen Sie recht glücklich«, fügte der junge Förster
hinzu.
»Ja, das wünschte ich auch«, antwortete Franz von Telek,
dessen Stirn sich etwas verdüsterte.
»Wir möchten Sie auch noch bitten, Herr Graf«, ließ
Meister Koltz sich vernehmen, »die Schritte nicht zu ver-
gessen, die Sie bei der Polizei in Karlsburg tun wollten.
»Ich werde nichts vergessen, Meister Koltz«, versicherte
Franz. »Sollte ich jedoch auf meiner Reise aufgehalten wer-
den, so kennen Sie ja das einfache Mittel, sich Ihrer beun-
ruhigenden Nachbarschaft zu entledigen, und dann wird
ja das Schloß der guten Einwohnerschaft von Werst keine
Angst mehr einflößen.
»Das ist wohl leicht gesagt ...« murmelte der Magister.
»Und auch leicht getan«, entgegnete Franz. »Noch vor
Ablauf von 48 Stunden können die Gendarmen mit allen
Wesen, die sich nur in der Burg verbergen mögen, aufge-
räumt haben.«
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»Mit Ausnahme des Falles, daß das wirkliche Geister wä-
ren«, bemerkte der Schäfer Frik.
»Selbst in diesem Fall«, erklärte Franz mit kaum be-
merkbarem Achselzucken.
»Wenn Sie uns damals begleitet hätten, Herr Graf«, warf
Doktor Patak ein, »den Nic Deck und mich, dann würden
Sie vielleicht nicht so sprechen!«
»Das sollte mich wundern, Doktor«, versetzte Franz,
»und selbst wenn ich wie Sie mit den Füßen im Schloßgra-
ben festgehalten worden
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