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Das Kastanienhaus

Das Kastanienhaus

Titel: Das Kastanienhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Trenow
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sagte er mit zusammengebissenen Zähnen, doch einen Grund nannte er nicht.
    » Okay, ich gebe mir alle Mühe. Was ist dir denn lieber? Stephen oder Steve? « Obwohl ich mich um einen unbefangenen Plauderton bemühte, fühlte ich mich ziemlich elend. Ich konnte mir einfach keinen Reim auf sein merkwürdiges Verhalten machen.
    » Alles, was du willst. Bloß nicht Stefan. « Seine Stimme verriet seine innere Anspannung.
    » Aber es ist nicht nur das, nicht wahr? « , tastete ich mich vorsichtig an ihn heran, kletterte von dem hohen Bett und setzte mich in einen der Sessel.
    Er blieb mit gesenktem Kopf am Waschbecken stehen, stützte sich darauf und hielt den Rand so fest umklammert, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Ich saß derweil da und überlegte krampfhaft, was nicht stimmen könnte.
    Irgendetwas verschwieg er mir. Was konnte das Schlimmste sein? Dass er mich nicht mehr liebte? Dass er irgendwie bereits von der Schwangerschaft Wind bekommen hatte und kein Kind wollte? Dass es schlechte Nachrichten über seine Familie gab?
    » Lily? « Er hielt den Kopf immer noch gesenkt, seine Stimme klang belegt.
    » Ja? Was ist? Erzähl es mir. « Meine Gedanken liefen Amok. Alles hatte ich in Betracht gezogen, aber nicht das, was er jetzt sagte.
    » Als ich heute diese Uniform getragen habe, war es … eigentlich … nicht richtig « , begann er stockend.
    » Was war denn daran falsch? « Ich merkte, dass er nach wie vor nicht so recht mit der Sprache rauswollte.
    Er löste seine Hände vom Waschbecken, kam zu mir herüber und setzte sich schweigend in den zweiten Sessel.
    » War es etwa nicht die Ausgehuniform des Pionierkorps? « , hakte ich nach.
    » Das schon, nur gehöre ich nicht mehr dazu. Weil ich versetzt worden bin. « Sein Blick wich mir immer noch aus.
    » Wohin? «
    » Das ist das Problem – ich darf es dir nicht sagen. «
    » Warum ist es geheim? Wohin gehst du, was wirst du tun? « Bange Ahnungen erfüllten mich.
    » Ich weiß selbst nichts darüber. Und wenn, dürfte ich es dir nicht erzählen. «
    » Aber ich bin deine Frau. « Er hatte sich wieder in sein Schneckenhaus zurückgezogen, war unerreichbar für mich.
    In der Stille konnte ich mein Herz hämmern hören.
    » Es tut mir leid, Lily, unendlich leid. Mehr kann ich nicht sagen. Bitte frag mich nicht, sondern versuch es zu akzeptieren. «
    So langsam geriet ich in Panik, denn das drohte eine sehr schlechte Neuigkeit zu werden. » Ist es gefährlich? Gehst du etwa an die Front? « Ein weiterer entsetzlicher Gedanke kam mir. » Oder hinter die feindlichen Linien? «
    Er schüttelte den Kopf. » Ich kann dir nicht antworten, Lily. Bitte versteh das. «
    » Aber warum? Hast du dir das womöglich ausgesucht? «
    » Nein, sie haben mich gefragt, und ich konnte nicht ablehnen. «
    » Du konntest nicht? «
    » Ich wollte nicht. «
    » Und warum ausgerechnet du? «
    » Wegen meiner guten Sprachkenntnisse, nehme ich an. Deutsch, Französisch, Englisch. «
    » Also hast du Ja zu dieser … Sache gesagt. Obwohl du wusstest, dass es gefährlich ist? «
    » Ich weiß nicht, ob es gefährlich ist. Ich weiß nur, dass es sehr, sehr wichtig ist. Wir müssen die Nazis zurückdrängen, um Frankreich zu befreien, Holland, Belgien, schließlich Deutschland und … «
    Ich begann zu verstehen. » Und deine Familie « , sagte ich sanft.
    Er nickte. » Und die anderen Juden. Damit wir wieder wir selbst sein können. «
    » Schwebst du da nicht in besonderer Gefahr als … «
    Er legte den Finger an die Lippen. » Ich bin kein Jude « , sagte er fest und betonte jedes Wort. » Nicht mehr, erinnerst du dich? Nicht im Augenblick. Deshalb auch Stephen. «
    Etwas war an der einfachen Art, wie er es sagte, das mir zu verstehen half. Ihn und seinen Entschluss. Er war sich so absolut sicher, dass er genau das tun musste. Alles, was er seit seiner Rückkehr aus Australien unternommen hatte, diente diesem Ziel: seine Familie, sein Volk zu rächen und das Land, das trotz allem auch seines war, zu befreien. Das war so lebensnotwendig für ihn, dass er sich sogar eine neue Identität zulegte und seine Herkunft verleugnete. Damit er sie, vielleicht, eines Tages wieder annehmen konnte. Und für dieses große, übergeordnete Ziel war er sogar bereit, jedes Risiko auf sich zu nehmen. Ich hätte am liebsten geweint, aber das durfte ich ihm nicht antun, um ihm das Herz nicht noch schwerer zu machen.
    » Ich fange an zu verstehen und werde es akzeptieren, obwohl es mir das Herz bricht. Du

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