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Das Kastanienhaus

Das Kastanienhaus

Titel: Das Kastanienhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Trenow
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Druck ihrer Hände fester und ihr Lächeln sehr viel selbstbewusster. Es gab offizielle Papiere, die ausgefüllt, und Unterschriften, die geleistet und bezeugt werden mussten. Sobald die Formalitäten geregelt waren, holten sie ihre bescheidene Habe – es existierten genaue Vorschriften, wie viel und was sie bei der Ausreise aus Deutschland mitnehmen durften –, verabschiedeten sich von Leo, mit dem sie in Verbindung bleiben wollten, und kletterten in den Lieferwagen. Als wir davonfuhren, winkten ihnen die Zurückbleibenden nach.
    Die Fahrt verlief ziemlich schweigsam. Eigentlich müssten sie froh sein, diesen trostlosen Ort zu verlassen, dachte ich, doch andererseits entfernten sie sich erst jetzt ganz von ihrer Heimat. In diesem Moment, als sie in ihr englisches Leben starteten. War das überhaupt noch eine freiwillige Entscheidung? Im Grunde folgten sie dem Rattenfänger – fuhren mit ihm in Gestalt von zwei Fremden in einem zerbeulten Lieferwagen einer ungewissen Zukunft entgegen.
    Zunächst wohnten die Jungen im Kastanienhaus, und wir nahmen uns Zeit, sie kennenzulernen. Die Furcht wich langsam aus ihren Gesichtern, die dank Mutters reichlichem Essen rasch ein wenig voller wurden, und auch ihr Selbstbewusstsein wuchs zunehmend. Sie machten Fortschritte im Englischen, während wir darum kämpften, unsere Zungen an ein paar Brocken Deutsch zu gewöhnen.
    Wir zogen mit ihnen durch Westbury und kauften Gerätschaften für die Küche, Bettzeug, Teppiche und Vorhänge, um ihr Cottage wohnlicher zu machen. Am Tag ihres Einzugs steckten Mutter und ich Etiketten an alles Mögliche und führten sie durch jeden Raum, erklärten ihnen die englischen Bezeichnungen, sofern sie sie nicht kannten. Sie bekamen darüber hinaus eine Liste mit Begriffen, die ihnen beim Einkaufen immer begegnen würden, und zur Sicherheit ergänzten sie die Namen durch kleine Zeichnungen. So lernten sie ihren englischen Alltag zu bewältigen.
    Um ihre Kleidung kümmerte sich John. Er ging mit ihnen in die Stadt, kaufte jedem ein Paar Hosen für sonn- und werktags, dazu einige Hemden, modische Fair-Isle-Pullover und dunkelblaue Sakkos. Am Wochenende nahm er sie mit zu einem lokalen Fußballspiel. Kurt und Walter wollten unbedingt selbst spielen, und er versprach, einen Verein für sie zu finden.
    Irgendwann waren sie so weit, dass sie in der Fabrik anfangen konnten. John und Jim Williams führten sie herum und sprachen mit jedem einzeln über die Aufgaben, die wir für sie vorgesehen hatten. Walter und Kurt, immer noch unzertrennlich, würden beide in der Packabteilung anfangen. Stefan wollte unbedingt Weber werden, und Gwen hatte zugesagt, sich um ihn zu kümmern.
    » Ich denke, du kannst inzwischen zwei Webmaschinen alleine beaufsichtigen « , sagte sie. » Da kann ich mich darauf konzentrieren, Stefan einzuweisen. « Es war als Kompliment gemeint, auch wenn es nur schwer als solches zu erkennen war.
    Sie gaben ein merkwürdiges Paar ab, diese beiden. Gwen, klein und plump, die sich mit Gesten über den Lärm der Maschinen hinweg verständlich zu machen versuchte oder sich auf die Zehenspitzen stellte, um ihm ins Ohr zu schreien – und neben ihr Stefan, groß und schlank, der sich immer weit zu ihr herabbeugen musste, wobei ihm stets seine nach wie vor langen Haare ins Gesicht fielen.
    Gwen schien das zu amüsieren, denn lachend imitierte sie seine Bewegung – diese anmutige Geste, mit der er die Strähnen zurückstrich. Sie brachte ihn sogar zum Lachen, als sie ihm ihr blumenbedrucktes Kopftuch anbot. Wenn sie ihm etwas erklärte, hefteten sich seine Blicke aufmerksam auf ihr Gesicht, um in dem Lärm ringsum von ihren Lippen abzulesen. Und das in einer fremden Sprache. Gwen war beeindruckt.
    » Der Junge lernt schnell « , sagte sie am Ende der ersten Woche. Wir machten gerade gemeinsam die freitägliche Routinekontrolle der Webmaschinen, deckten Gewebe und Webketten mit Tüchern gegen den Staub ab, vergewisserten uns, dass die Schiffchenarme fest angelegt waren, wickelten lose Fäden auf, räumten Ersatzspulen auf und schalteten an jeder Maschine den Strom ab. Denn am Wochenende wurde nicht gearbeitet.
    » Er ist wirklich begabt « , fügte sie hinzu. Ich konnte die Wärme in ihrer Stimme hören, und obwohl sie recht hatte – Stefan wusste bereits, wie die Webmaschinen funktionierten, wie man die Gewichte und Spannungen ausbalancierte, und erkannte und befestigte gelöste Kettfäden –, verspürte ich einen Anflug von Eifersucht. Weil sie

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