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Das Kastanienhaus

Das Kastanienhaus

Titel: Das Kastanienhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Trenow
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und aus der Kiste, die sie getragen hatte, fielen klackernd Dutzende hölzerner Schiffchen heraus und rollten in alle Richtungen davon.
    » He, warum passt du nicht auf, wo du hingehst? «
    Es war alles zu viel, und ich fing hemmungslos an zu schluchzen.
    » O Lily, hast du dir wehgetan? « , fragte sie sanft und zückte ein Taschentuch. Ich schüttelte den Kopf. » Was ist denn sonst los? « Sie kam näher und versuchte mir den Arm um die Schulter zu legen.
    » Lass mich bitte « , sagte ich und rappelte mich zitternd auf.
    » Möchtest du reden? « , wollte sie wissen, während wir die Schiffchen aufsammelten und zurück in die Kiste legten.
    » Es gibt nichts zu erzählen « , stammelte ich und wischte mir die Nase am Ärmel ab. » Das muss ich ganz alleine klären. «
    Sie hielt inne, richtete sich auf und schaute mir mit diesem intensiven Blick direkt in die Augen. » Hör zu, ich werde mich nicht einmischen « , sagte sie. » Aber ich bin immer für dich da, wenn du mich brauchst. « Wie konnte jemand wie sie das jemals verstehen, dachte ich, als ich mich auf den Weg zur Weberei machte.
    Stefan erkannte auf den ersten Blick, dass etwas nicht stimmte.
    » Alles okay mit dir? « , formte er stumm mit den Lippen. Ich schüttelte den Kopf, und die Tränen stiegen wieder auf.
    Er blickte auf die Fabrikuhr, die aus jedem Winkel der Weberei zu sehen war. Ihre fußlangen Zeiger betrachteten wir oft als unsere Feinde, wenn sie sich nicht von der Stelle zu bewegen schienen. Jetzt aber waren sie barmherzig, denn in wenigen Minuten begann die Teepause.
    » Bank? « , fragte er stumm.
    Ich nickte. Draußen war es eiskalt, sodass wir wahrscheinlich alleine sein würden.
    » Vater weiß Bescheid « , platzte ich mit der Neuigkeit heraus, als wir uns hinsetzten. » Bert hat uns verpetzt. «
    » Verpetzt? « , fragte er verwirrt.
    » Er hat uns zusammen gesehen und es Vater erzählt. «
    Alle Farbe wich aus Stefans Gesicht. » Was hat er gesagt? «
    Ich schüttelte den Kopf, wollte ihm nichts von Vaters Ultimatum erzählen.
    » Scheiße « , fluchte er unterdrückt. Dann zündete er uns beiden eine Zigarette an und nahm einen langen Zug.
    » Sagt er, wir dürfen uns nicht mehr sehen, Lily? «
    Bei dem Gedanken fühlte ich mich elend und verzweifelt. » Ich werde dich nicht aufgeben. Ich liebe dich. «
    Er sah zum Himmel hoch, wie Jungen das tun, wenn niemand die aufsteigenden Tränen sehen soll. » Das ist nicht so einfach « , sagte er mit brechender Stimme. » Dein Vater trägt hier in England die Verantwortung für mich, und ich kann mich ihm nicht widersetzen. Laut meinen Papieren hier bin ich ja nicht mal volljährig. «
    Ich legte meine Hand auf seine. » Gib mir etwas Zeit. «
    » Er könnte mich fortschicken. «
    » Das werde ich nicht zulassen. Versprochen. «
    » Wie willst du das verhindern? «
    » Auf jeden Fall müssen wir noch vorsichtiger sein als bisher. «
    » Hier? In der Fabrik? In Westbury? « Wütend drückte er seine Zigarette im Kies aus. » Es ist unmöglich. Irgendjemand wird uns immer sehen. « Obwohl ich im Innersten meines Herzens wusste, dass er recht hatte, war ich nicht bereit, diese Niederlage einzugestehen. Nein, es musste einen Weg geben.
    » Lass uns miteinander reden. Ich komme nach dem Essen ins Cottage. «
    » Nein, Lily. « Seine Stimme klang gepresst und ängstlich. » Das ist zu riskant. Du darfst nicht kommen. Wir müssen warten. «
    » Warten? Wie lange? « Mir war wieder zum Heulen zumute.
    » Bis alles vorbei ist. «
    » Das kann Monate dauern, sogar Jahre. «
    Er nickte. Die Tränen rannen mir die Wangen hinab, und mir fiel nichts ein, was ich hätte sagen können. Wir saßen schweigend da und fühlten uns machtlos und verloren.
    » Ich muss jetzt gehen « , sagte er plötzlich und stand auf. Ich versuchte nach seiner Hand zu greifen, doch er wich vor mir zurück und stapfte mit durchgedrücktem Rücken entschlossen über den Hof. Ich blieb auf der Bank zurück und gab, die Hände vors Gesicht geschlagen, dem Schluchzen nach, das unaufhaltsam aus meiner Kehle stieg.
    Als die Sirene das Ende der Teepause verkündete, ging ich zur Toilette, um mir das Gesicht mit kaltem Wasser zu waschen und die Spuren meiner Tränenströme einigermaßen zu tilgen. Stefan war nirgends zu sehen, ein anderer Weber arbeitete an seinen Maschinen. Gwen fing mich mit angespannter Miene ab und führte mich zur Seitentür.
    » Was zum Teufel ist los? « , fragte ich sie.
    » Ich habe Stefan für den Rest der

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