Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
zu tief in die Politik und Intrigen des Königs verstrickt gewesen war und am Ende von Juan II. geopfert wurde, gelang es Don Gonzalez noch rechtzeitig, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Jimena wusste nicht, ob er der Königinwitwe, die heute in Arévalo dahindämmerte, noch immer zürnte, denn sein Freund Álvaro de Luna hatte allein auf ihr Drängen hin sein Leben lassen müssen. Ihren Kindern gegenüber zeigte er sich jedenfalls mehr als nur loyal. Jimena kannte ihn von den dreien am längsten, war er doch immer wieder bei Hofe gewesen und hatte sich um die Erziehung von Alfonso und dessen Schwester Isabel gekümmert. Isabel jedenfalls vertraute ihm und hatte ihn bereits im vergangenen Jahr zu ihrem Oberhaushofmeister bestellt, der sich um die Finanzen kümmern sollte. Er war dann auch der Erste, der seine distanzierte Haltung aufgab und die Reisebegleiterin nach einigen Tagen nicht länger wie Luft oder wie ein lästiges Insekt behandelte.
»Es tut mir leid, dass Euch die Reise so unbequem sein muss«, sagte er, als sie wieder einmal bei einem kärglichen Mahl vor einer Einsiedelei in den Bergen saßen.
Jimena hob die Schultern. »Es ist nicht entscheidend, wie bequem unsere Reise ist. Sie muss von Erfolg gekrönt werden.«
Don Gonzalez de Chacón schenkte ihr ein Lächeln. »Ihr seid eine tapfere junge Dame. Ich entschuldige mich für meine Gedanken, die Euch diesen Ritt nicht zugetraut haben.«
»Es sei Euch verziehen«, gab Jimena mit einem Lächeln zurück. »Doch sagt mir, haben wir einen Grund, uns zu verbergen? Oder ist es nur eine Vorsichtsmaßnahme?«
Sie konnte Ärger in seiner Miene aufflammen sehen. »Erzbischof Carrillo konnte es nicht unterlassen, mit unserem Vorhaben zu prahlen, und so haben viel zu viele Ohren, die unserer Sache nicht ergeben sind, davon vernommen. Es gibt auf beiden Seiten eine breite Front gegen eine Verbindung Aragóns mit Kastilien, sodass wir diesseits und jenseits der Grenze mit Widerstand rechnen müssen.«
Don Alonso de Palencia mischte sich mit einer Grimasse ein. »Was unser verehrter Don Gonzalez eigentlich ausdrücken will, ist, dass es so manchen gibt, der einen Preis auf unseren Kopf ausgesetzt hat und einen noch größeren auf den Kopf des Prinzen. Die Mendozas stellen sogar ein Heer auf, um den Prinzen an der Grenze abzufangen, wobei er bei dieser Aktion durchaus sein Leben lassen darf, damit ihm kein zweiter Versuch gegönnt wird, sich mit Prinzessin Isabel zu verbinden.«
»Die Mendozas kämpfen noch immer für Juanas Rechte«, fügte Jimena mit einem Nicken hinzu.
»Ja«, bestätigte Don Gutierre. »Dabei hat der König seine Tochter nun schon zweimal enterbt. Sie sollten sich seinem Entschluss beugen! Wer hätte gedacht, dass die kleine Beltraneja solch hartnäckige Anhänger hat?«
Jimena wiegte den Kopf hin und her. »Ich glaube nicht, dass es hier wirklich um Juana geht. Nicht um sie als Per son. Es geht den Mendozas um die Stärkung des Königtums. Sie wollen mehr Macht zentral versammelt wissen und eine starke Hand, die den ewigen Zänkereien unter dem Adel Einhalt gebietet. Sie sehen mit Entsetzen, was ein schwacher König wie Enrique anrichtet. Wie die Schlangen kriechen die Geschlechter der Granden aus allen Löchern und zerfleischen Kastilien in ihrem blutigen Bürgerkrieg. Sie sehen ganz richtig, dass endlich ein Herrscher auf den Thron muss, der nicht seine Hauptaufgabe darin sieht, Geld und Posten an seine Granden zu verteilen, sondern sie an ihre Pflicht erinnert und in einer einzigen starken Front hinter sich versammelt. Insofern wäre ich ganz Graf de Santillanas Meinung, nur glaube ich, dass sie auf das falsche Pferd setzen. Juana wäre ihnen nicht diese Königin. Sie wäre nur eine weitere Schachfigur, vielleicht unter wechselndem Einfluss. Die Mendozas haben noch nicht erkannt, dass Isabel die Persönlichkeit ist, die sie suchen.«
»Ach, und Ihr glaubt, von dieser Erkenntnis werden sie noch irgendwann erleuchtet werden?«, erkundigte sich Don Alonso mit leichtem Spott in der Stimme, doch Jimena sah ihn ernst an.
»Ja, das werden sie. Es wird noch eine Weile dauern, aber irgendwann wird Isabel sie zu ihren treusten Anhängern zählen dürfen.«
»Was für schöne Visionen«, kommentierte Don Gutierre, der – wie die anderen beiden Männer – ihre Prophezeiung lediglich als einen frommen Wunsch wertete.
Eine Weile schwiegen sie und tranken von dem kalten, bitteren Kräutersud, den die Eremiten ihnen gegeben hatten. Plötzlich
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