Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
spürte er ihren Blick. Jedenfalls sah er auf und fixierte sie einige Augenblicke. Dann erhellte ein Lächeln seine Miene, und er neigte grüßend den Kopf. Kleine Fältchen gruben sich um seine Augen ein, und seine Lippen formten einige Worte. Jimena wurde klar, dass dieser Mann, trotz Mäßigung bei Essen und Wein, sicher kein Asket war und auch keiner, der ein Keuschheitsgelübde allzu ernst nehmen würde. Und dennoch spürte sie, dass er ihr sympathisch war und sie ihn mochte.
Ganz im Gegenteil zu dem anderen wichtigen Berater des Königs, der eine Miene zur Schau trug, als habe er in eine Zitrone gebissen. Juan Pacheco schlich um den König herum und bedachte Fernando und Isabel abwechselnd mit Blicken, die tödlich für sie gewesen wären, wenn er denn über entsprechende Kräfte verfügt hätte. Es war ihm mehr als nur ein Dorn im Auge, die Schwester des Königs und ihren Gemahl mit dem Monarchen in solch trauter Runde zu sehen und Zeuge ihrer Versöhnung zu werden.
»Siehst du, wie es in seinem kranken Geist arbeitet?«, raunte Beatriz. »Ich wette, er grübelt über nichts anderes als darüber, wie er wieder einen Keil zwischen den König und Isabel treiben kann.«
Jimena nickte. »Ja, wollen wir nur hoffen, dass er diesen Keil nicht allzu schnell in die Finger bekommt.«
Doch die gute Stimmung hielt an, was vielleicht auch daran lag, dass die Königin und ihr treuer Favorit Beltrán de la Cueva nicht in Segovia weilten. Und Juana selbst? Sie war vielleicht einfach noch zu jung, um zu begreifen, was das erneute gute Einvernehmen zwischen ihrer Tante und dem König für sie bedeuten konnte. So war der Marquis de Villena der Einzige, der das traute Glück störte.
Da der Winter den Januar über noch einmal recht hart zu werden drohte, beschlossen Isabel und Fernando, noch eine Weile zu bleiben. Verständlicherweise besuchten nur wenige Reisende in diesen Tagen die Stadt am Fuß der tief verschneiten Berge. Einer wagte es allerdings doch: Don Beltrán kam – wie Jimena verlauten hörte, auf Villenas Drängen – und wurde vom König freudig in Empfang genommen.
»Ah, mein lieber Freund, wie schön, Euch in meinem Haus begrüßen zu dürfen. Wir hatten seit Dreikönig kein ordentliches Festmahl mehr. Was also träfe sich besser, als Eure Wiederkehr zum Anlass für eine kleine Feier zu nehmen?«
Er klatschte in die Hände und ordnete an, am Abend im großen Saal aufzutischen, dass sich die Tafel biegen sollte! Dass seinen Küchenmeister fast der Schlagfluss traf, war ihm gleich. Wenn man für einen König arbeitete, musste man auf Überraschungen gefasst sein. Rasch wurden Jäger losgeschickt, um noch ein paar Fasane oder anderes Geflügel zu erwischen. Ein paar Hasen waren auch immer gut, während in der Küche schon kräftig Teig für Pasteten geknetet und Gemüse und Zwiebeln geschnitten und gekocht wurden. Zwei Schweine und ein junger Stier mussten ihr Leben lassen, es wurden Früchte glasiert und süßer Reis mit Mandeln verkocht. Drei Küchenjungen waren allein mit den vielen Krebsen beschäftigt, die man aus den eisigen Fluten der umliegenden Flüsse fischte. Und dann kamen die Jäger mit reicher Beute zurück. Endlich wurde der Küchenmeister ruhiger, und als es Zeit wurde, sich zu Tisch zu begeben, schimmerte der Saal im Licht von Dutzenden von Kerzen, und die Tafel bog sich tatsächlich unter den vielen Köstlichkeiten.
Fernando war begeistert und ließ es sich schmecken. Auch die Weine, die der König ihnen servieren ließ, lobte er und ließ sich immer wieder nachschenken. Da war er sich mit Kardinal Mendoza einig, selbst wenn man die beiden nicht als betrunken hätte bezeichnen können. Isabel dagegen probierte zwar von Schinken, Pasteten und Süßspeisen, trank aber wie immer nur Wasser und musste darüber manche Neckereien der Männer ertragen, die sie mit einem Lächeln hinnahm.
Da Don Beltrán als Ehrengast zur Rechten des Königs saß und Isabel mit dem Kardinal auf seiner anderen Seite, fand sich Jimena zwischen Prinz Fernando und dem Marquis de Villena wieder.
Es war ein seltsames Gefühl, diesem Mann so nahe zu sein. Natürlich würdigte er sie kaum eines Blickes. Dafür starrte er ständig zu Enrique hinüber, der sich prächtig zu amüsieren schien.
»Nein, wie unhöflich«, murmelte Fernando, der dem Blick des Marquis folgte. »Was für eine Erziehung lässt man den jungen Herren in diesem Land denn angedeihen? Lässt man seine Tischdame so unbeachtet, noch dazu, wenn man das
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