Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
Isabel übertrieben höflich, denn ihr war Beatriz’ Entsetzen nicht entgangen, »dann werden wir durch mein Land reisen und uns des Wohlwollens meines Volkes versichern.«
Beatriz klappte der Mund auf. »Durch ganz Kastilien?«
»Nun, solange der Schnee in den Bergen so hoch liegt, werden wir auf den Süden wohl verzichten müssen«, gab Isabel liebenswürdig zurück.
»Das kann sie nicht ernst meinen«, jammerte Beatriz später, als sie mit Jimena und Teresa allein war. »Ich werde wie in meinen schlimmsten Albträumen Jahr für Jahr rastlos durch die Lande ziehen und mehr Stunden bei Eiseskälte oder glühender Hitze im Sattel als auf einem bequemen Diwan verbringen.«
Jimena schmunzelte. »Ja, das trifft die Sache recht genau.«
Beatriz riss vor Entsetzen die Augen auf. »Denkst du das wirklich?«
Sie wandte sich an Teresa, als Jimena nur mit ernster Miene nickte.
»Und du? Was sagst du dazu?«
Teresa überlegte, dann tat sie so, als würde sie auf einem schwankenden Pferderücken sitzen.
Beatriz stöhnte. »Ich hoffe nur, ihr irrt euch einmal in eurem Leben!«
Doch Jimena und Teresa irrten sich nicht. Isabel gönnte sich nur wenige Tage in Arévalo, um zumindest für diese Stunden das Gefühl einer Mutter zu spüren, dann widmete sie sich wieder ihrer Pflicht und nahm schweren Herzens von der kleinen Isabel Abschied. Das mittlerweile fünfjährige Mädchen nahm es gelassen hin. Es hatte seine Mutter so selten gesehen, dass es verständlicherweise mehr an seiner Amme hing, was Isabel den Abschied erleichterte – zumindest behauptete sie das tapfer, als sie sich auf ihr Pferd heben ließ und durch das Tor hinausritt. Ausnahmsweise war Fernando an ihrer Seite. Die beiden hatten sich versöhnt und waren fest entschlossen, um jeden Gefolgsmann zu kämpfen. Ja, Isabel sah richtig verliebt aus, wenn sie ihren Blick auf ihrem Ehegatten ruhen ließ. Und Fernando? Auch er war seiner Frau zugetan, selbst wenn man nicht so weit gehen konnte zu behaupten, er sei in sie vernarrt. Er schaute durchaus auch andere schöne Frauen an, und Jimena hatte ihn mehr als einmal mit deutlichen Worten abblitzen lassen. Leider waren nicht alle von Isabels Damen so standhaft, und so argwöhnte sie, dass nicht nur eine dem Drängen des Königs nachgegeben hatte.
Wusste Isabel davon? Noch tat sie so, als bemerke sie nichts, doch war da nicht ein tiefer Schmerz, der in ihr wuchs? Zumindest bemühte sich Fernando, diskret zu sein und seine Gemahlin nicht zu brüskieren. Schamlose Tändeleien, wie Jimena sie an Enriques Hof viele Jahre hatte erleben müssen, gab es in Isabels und Fernandos Umfeld nicht, und keine Dame musste mehr fürchten, allein in einem der Paläste ihr Gemach aufzusuchen. Keiner der Höflinge hätte sich getraut, gegen ihren Willen Hand an sie zu legen, denn dass sie das nicht dulden und streng bestrafen würden, das machten Isabel und Fernando deutlich klar.
So in ihre Gedanken versunken, ritt Jimena hinter dem Königspaar her.
Sie ist wieder schwanger, fuhr es ihr plötzlich durch den Sinn.
Wirklich? Jimena betrachtete sie aufmerksam. Es war nichts zu sehen, und auch die üblichen Schwangerschaftsanzeichen hatten sich noch nicht eingestellt. Ja, vermutlich wusste Isabel selbst noch nichts davon, doch Jimena war sich sicher. Mit Schaudern dachte sie, was sich Isabel für die nächsten Monate vorgenommen hatte. Doch es war unmöglich, sich nun für fast ein Jahr in einen Palast zurückzuziehen. Auch ohne Isabel zu fragen, wusste sie, wie ihre Antwort lauten würde. Sie musste handeln, jetzt! Nicht erst im nächsten Jahr, denn dann gab es vermutlich keine Krone mehr, die sie hätte verteidigen können.
Schwangerschaft ist keine Krankheit, würde sie sagen. Natürlich kann ich reisen!
Es würde dem Kind schon nicht schaden, hoffte Jimena. Isabel würde im Herbst einem gesunden Kind das Leben schenken – vielleicht sogar einem Sohn. Doch so oft sie diese Gedanken im Stillen formte, es gelang ihr nicht, Zuversicht zu empfinden. Da war ein ungutes Gefühl tief in ihr, und sie war ein paarmal nahe daran, Isabel davon zu erzählen, doch dann verließ sie der Mut. Was konnte sie damit erreichen? Nur, dass Isabel sich schlecht, ja, schuldig fühlte, denn ihre Reise würde sie deswegen nicht abbrechen, da war sich Jimena sicher.
Und so zogen sie von einer Stadt zur nächsten. Isabel und Fernando sprachen vor den Stadträten und den Hidalgos, sie besuchten die Landadeligen und hörten sich die Sorgen der Leute an.
Weitere Kostenlose Bücher