Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
den Rücken.
»Nun, dann naht also der Tag der Entscheidung. Kastilien wird mit Gottes Hilfe bestehen, oder es wird untergehen und von Portugal und Frankreich verschlungen werden. Wir werden alles in die Waagschale werfen, was wir haben, und alles Geld und jeden Mann aufbieten, der bereit ist, für uns und sein Land zu kämpfen.«
Sie nestelte an ihrem Hals, nahm die schwere goldene Kette ab, die sie trug, und legte sie auf den Tisch. Dem folgten ein mit Rubinen verzierter Armreif und zwei wertvolle Ringe. Lediglich ihren Ehering behielt sie an. Dann wandte sie sich an den Pater.
»Fray Hernando, nehmt alles, was an Geschmeide und sonstigen Schätzen vorhanden ist, und macht es zu Geld, mit dem wir unsere Truppen ausrüsten können.«
»Das wird nicht reichen«, sagte der Pater sanft.
»Dann denkt Euch etwas aus, damit es reichen wird«, rief sie erregt. »Wir haben nur ein Land und nur eine Chance, es vor unseren gierigen Nachbarn zu retten!«
Fray Hernando neigte das Haupt. »Ihr werdet Eure Truppen bezahlen können«, sagte er, und der feste Tonfall ließ Jimena glauben, dass er es nicht nur ernst meinte, sondern dass er es auch schaffen würde, selbst wenn sie sich nicht vorstellen konnte, wo er so viel Geld aufzutreiben gedachte. Denn dass es viel, sehr viel Geld sein musste, das war ihr trotz ihrer Unerfahrenheit klar.
Sie waren wieder unterwegs. Doch falls irgendjemand schon zu Anfang des Jahres gedacht hatte, die Königin sei zu rastlos und an ihrer Seite zu leben sei anstrengend, dann sollte er nun erleben, was diese beiden Worte wirklich bedeuteten. Isabel und Fernando hatten beschlossen, getrennt zu reisen, um möglichst viele Orte besuchen zu können. Sie mussten den Menschen klarmachen, wie wichtig es war, jetzt für ihr Land und ihre Königin einzustehen. Anders als im Frühling dieses Jahres ließen sie einen großen Teil ihres Hofs in Segovia zurück – zur Erleichterung der Damen – und ritten auf schnellen Pferden täglich weite Strecken. Isabel gönnte sich kaum eine Rast. Sobald sie sich sicher war, Gehör bei den Menschen gefunden zu haben, mahnte sie schon wieder zum Aufbruch. Obwohl Isabel es ihren Freundinnen freigestellt hatte, begleiteten Jimena und Teresa sie, und auch Beatriz biss die Zähne zusammen.
»Und wenn es mein Ende ist«, knurrte sie unter Tränen, so sehr schmerzten sie ihre Glieder nach dem langen Tagesritt. Jimena kam sich immer mehr wie die Kräuterfrau der Truppe vor und versorgte alle mit schmerzlindernden Salben gegen verkrampfte Muskeln und mit Tinkturen, die aufgerittene Stellen schneller heilen ließen.
»Wenn das nur nicht so schrecklich wehtun würde«, jammerte Beatriz, während sie sich von Teresa versorgen ließ, die ihr eigenes Leid nur stumm ertragen konnte. Dennoch lächelte sie und versuchte immer wieder, Beatriz aufzumuntern.
»Woher nimmt sie nur diese Kraft?«, fragte sich Beatriz und trocknete beschämt ihre Tränen.
Ja, die Spuren der Strapazen schmerzten, doch Sorgen machte sich Jimena allein um Isabel. Man konnte ihr die Schwangerschaft nun deutlich ansehen. Tag für Tag wuchs mit der Hitze des Sommers auch ihr Leib und bereitete ihr zusätzlich Unbehagen. Doch wenn Jimena sie darauf ansprach, winkte sie nur ab. Sie wollte nicht einmal darüber reden. Weil sie keine Alternative sah. So ritt sie meist stumm dahin, die Zähne fest zusammengebissen. Sie verbot sich, auch nur die kleinste Schwäche zu zeigen, und war trotz der angespannten Lage niemals mürrisch oder ungerecht. Sie behandelte jeden freundlich, und die Bewunderung ihrer Begleiter steigerte sich fast zur Verehrung.
In der Zwischenzeit waren Fernando und ihre Verbündeten ihrerseits nicht untätig. Vor allem die Macht der Mendozas zeigte sich nun an der Stärke der Truppen, die sie Isabel zur Seite stellen konnten. Und der Kardinal war auch bereit, seine Männer persönlich ins Feld zu führen. Das sagte er ihr, als sie sich einige Wochen später wieder in Segovia trafen. Er hatte bereits seinen langen Rock gegen einen glänzenden Harnisch getauscht, um zu zeigen, dass er auch auf einem Schlachtfeld eine gute Figur machen würde.
Dann kehrte auch der König zurück. Hoheitsvoll schritt Isabel auf Fernando zu, der sie mit besorgter Miene beobachtete.
»Wie ist es dir ergangen, meine Liebe?«, fragte er und zog sie in seine Arme. Für einen Moment gab sie der Schwäche nach und schmiegte sich mit geschlossenen Augen an seine Brust. Dann richtete sie sich wieder auf und nahm ein
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