Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
immer seine Fahne in den Wind gehängt, der ihm persönlich vielversprechend erschien.«
Fernando nickte. »Wir haben dem alten Mann zu viel widersprochen. Isabel ist trotz ihrer Jugend eine starke Frau, die ganz genau weiß, was sie will. Damit hat er nicht gerechnet. Er hat sich wohl schon als der König Kastiliens ohne Krone gesehen, der im Hintergrund alle Fäden zieht. Vielleicht denkt er, dass seine Erfolgschancen bei Juana größer sind. Alfonso muss sich schließlich auch um Portugal kümmern. Da wäre ihm ein starker Mann an der Seite seiner jungen, unerfahrenen Frau vielleicht recht.« Seine Stimme troff vor Verachtung.
Kardinal Mendoza nickte. »Ja, und dieses Mal ist es ihm wohl ernst. Er schickt dem Portugiesen Truppen und scheint bereit, sie selbst in die Schlacht zu führen.«
Jimena durchfuhr es eiskalt. Ihre Knie drohten nachzugeben. Sie schwankte und musste sich auf einen Stuhl sinken lassen, um nicht zu fallen.
Ramón! Er gehörte zu Carrillos Männern. Er war in die Dienste des Erzbischofs getreten und hatte ihm Treue ge schworen. Nun würde er gezwungen sein, für diesen Herrn in einen Krieg zu ziehen, den er nicht gewollt hatte. Auch wenn er Isabel gegenüber stets skeptisch gewesen war, wollte er sicher nicht das Schwert gegen sie ziehen und für Portugal sein Leben lassen.
In ihrem Kopf begann es zu rauschen. Sie hörte Schreie und konnte Blut riechen.
Nein, nein, nein! Das durfte nicht geschehen. Sie sah ihn vor sich, wie er zwischen all den anderen Männern des Bischofs in Rüstung auf seinem Pferd saß. Befehle erschallten. Das Geräusch der Klingen, die aus der Scheide gezogen wurden, ließ sie erschaudern. Dann preschten sie los, um gegen die Truppen der Königin zu kämpfen. Zu töten. Zu vernichten.
Und Jimena? Sie musste mit all ihrer Kraft hoffen, dass Isabels Männer die Oberhand behielten und dass sie die fremden Truppen aus Portugal und die Männer des verräterischen Erzbischofs von Toledo vernichtend schlugen.
Während sich der portugiesische König im Rausch seiner Siegesgewissheit noch den prächtigen Hochzeitsfeierlichkeiten hingab, marschierte sein Heer mit den Kanonenkarren und einem bunten Tross am Duero entlang und überschritt ungehindert die Grenze nach Kastilien.
Täglich kamen nun die Boten nach Segovia und berichteten dem Königspaar, das ungeduldig darauf wartete, dass ihre eigenen Truppen marschbereit wären. Doch es wurde Juli, bis sie endlich aufbrechen konnten. Bis dahin hatte Alfonso sich längst von seiner jungen Frau verabschiedet und war zu seinen Truppen geeilt. Ohne auf Widerstand zu stoßen, zog das Heer nach Osten und nahm die Stadt Toro ein, wo sie ihr Lager aufschlugen. Die Bewohner öffneten dem Portugiesen die Tore. Was blieb ihnen anderes übrig, wollten sie nicht riskieren, ihn zu erzürnen? Zwar war Toro nach Süden hin zum Duero gut gesichert. Die Stadt erhob sich direkt über der Kante der roten Felsen, die – steil und brüchig – jeden Versuch, sie zu erklimmen, scheitern lassen mussten. Nach Norden jedoch stand nur die Stadtmauer zwischen dem weiten Land und den eng aneinandergedrängten Häusern, die einem Ansturm dieses Heeres nicht gewachsen sein konnte. Und so genügte die Drohung, die Stadt niederzubrennen, um die Tore für das fremde Heer zu öffnen.
Isabel knirschte mit den Zähnen, als der Bote endlich schwieg. Er warf ihr einen ängstlichen Blick zu, doch die Königin gehörte nicht zu den Herrschern, die ihren Zorn am Überbringer einer schlechten Nachricht ausließen.
»Wir reiten morgen in aller Frühe los«, sagte sie, und keiner widersprach.
»Was, meint Ihr, hat er vor?«, fragte sie an ihre Berater gewandt.
»Ich denke, er will nach Burgos«, antwortete Fernando. »Es ist die wichtigste Handelsstadt im Norden und sympathisiert mit Portugal.«
Isabel nickte. »Gut, dann werden wir ihm mit unserem Heer den Weg dorthin abschneiden.«
Sowohl Fernando als auch Kardinal Mendoza nickten. Sie erhoben sich, um den Hauptleuten der verschiedenen Truppenteile ihre Befehle zu erteilen. Isabel blieb mit ihren Freundinnen allein im Saal zurück. Stille senkte sich herab, bis Isabel murmelte: »Nun geht es also endlich los. Ziehen wir der Entscheidung entgegen, wie auch immer sie ausfallen mag.«
Beatriz hob den Kopf mit einem Ruck. »Du willst also wirklich mit dem Heer ziehen?«
»Natürlich, ich bin ihre Königin! Sie werden mich brauchen. Ich muss für sie da sein, ihnen Mut zusprechen, ihnen Hoffnung geben und sie
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