Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
eingeklemmt und hattest unter anderem eine Verletzung am Schädel und eine Blutung im Gehirn. Deshalb haben dich die Ärzte hier in ein künstliches Koma versetzt.«
Er riss die Augen auf. »Wann war denn dieser Unfall?«
»Es ist schon fast eine Woche her.«
Er schien zu überlegen, dann sah er sie prüfend an. »Warst du auch dabei? Dir scheint nichts passiert zu sein.«
Isaura nickte, und das Bedürfnis, sich zu entschuldigen, war übermächtig.
»Ja, ich war dabei, und mir ist nichts passiert.«
»Dem Himmel sei Dank!«, stieß er aus. Es klang ehrlich. Er hatte noch mehr Fragen, und Isaura antwortete geduldig. Langsam schien seine Erinnerung zurückzukehren. Dabei sah er sie so zärtlich an wie früher oft und wollte ihre Hand nicht loslassen. Ängstlich wartete Isaura darauf, dass ihm klar werden würde, warum er diese Reise unternommen hatte und worüber sie kurz vor dem Unfall gesprochen hatten.
Sie sah es an seinem Blick. Die Zärtlichkeit wich Verwirrung. Dann sah er an ihr vorbei und ließ den Blick unstet umherirren. Suchte er nach Sandy? Hoffte er, sie irgendwo hier im Zimmer zu finden? Wieder dieser Stich. Das Atmen fiel ihr schwer, als sei plötzlich aller Sauerstoff aus dem Raum gesogen worden, doch sie versuchte ruhig zu bleiben und konzentrierte sich auf jeden Atemzug. Seine Finger öffneten sich. Isaura verstand und zog ihre Hand zurück.
»Ich habe es dir gesagt, nicht wahr?«, murmelte er, ohne ihr in die Augen zu sehen. »Das mit Sandy und mit dem Kind.«
Isaura schwieg.
»Ja, kurz vor dem Unfall. Jetzt erinnere ich mich wieder. Erst hast du geschrien, dann habe ich geschrien. Überall war Glas, und dann hat sich alles gedreht.«
Isaura nickte. »Ja, so war es«, gab sie zu. Sollte sie noch mehr sagen?
Nein! Du wirst dich nun nicht in deiner Schuld baden und ihn um Verzeihung anwinseln! Wie zornig die Stimme klingen konnte. Sie schmerzte richtig in ihrem Kopf. Isaura wollte ihr nicht zuhören und schob sie energisch weg.
»Ja, es tut mir leid. Ich habe die Beherrschung verloren und nicht gewusst, was ich damit anrichten kann, aber das kam so unerwartet. Ich dachte, wir fangen noch einmal von vorn an.«
Er hatte zumindest den Anstand, zerknirscht zu schauen.
»Ja, ich hätte es dir nicht auf diese Weise sagen sollen. Vor allem nicht während der Fahrt. Mein Fehler.«
Dein Fehler war es, fremdzugehen und mit einer anderen ein Kind zu zeugen!
Er überlegte. »Aber was meinst du damit, du hast die Be herrschung verloren?« Misstrauen stieg in seine Miene. »Willst du damit sagen, dass du den Unfall herbeigeführt hast? Hast du ins Lenkrad gegriffen oder die Handbremse angezogen oder so etwas?«
»Nein!«, rief Isaura empört. »Ich war nur außer mir, und dann zerbrachen die Fenster …«
Er winkte ab. Natürlich. Wenn nicht einmal sie selbst es sehen und akzeptieren konnte. Es war einfach zu fantastisch. Zu unwirklich. Mehr als der Verstand annehmen konnte.
Die Tür ging auf, und ein strahlender Doktor Jiménez steuerte auf seinen Patienten zu. Zwei Schwestern folgten ihm.
»Herr Thalheim, es ist mir eine Freude, Sie wach anzutreffen. Ich würde gern einige Tests machen, um sicherzugehen, dass auch wirklich alles so funktioniert, wie es sollte.«
Isaura erhob sich. »Ich warte dann draußen.«
»Wie Sie wünschen«, sagte der Arzt und musterte sie mit einem prüfenden Blick.
»Er erinnert sich wieder an die letzten Minuten vor dem Unfall«, beantwortete sie die stumme Frage. Er nickte.
»Gut, dann gebe ich Ihnen Bescheid, wenn wir fertig sind.«
Isaura schloss die Tür hinter sich. Sie verließ das Gebäude und ging in den Garten hinunter, in dem sie zum ersten Mal mit Dr. Jiménez gesprochen hatte. Als sie noch bangen musste, ob Justus jemals wieder aufwachen würde und, wenn ja, in was für einem Zustand. Jetzt war er wach und schien geistig völlig gesund, und schon kehrten ihre Gedanken zum Ursprung des ganzen Dramas zurück.
Isaura näherte sich gerade dem Parkplatz, als sie Sandy aus ihrem Wagen steigen sah. Es gelang ihr nicht, ein Aufstöhnen zu unterdrücken. Entweder hatte jemand vom Krankenhaus sie angerufen, oder sie hatte ein gutes Gespür für Timing, dass sie heute so viel früher als sonst auftauchte.
Isaura überlegte noch, was sie tun sollte, als Sandy sie entdeckte und auf sie zusteuerte. So ergab sie sich in ihr Schicksal und wappnete sich so gut es ging gegen jeden möglichen Angriff.
»Hallo Sandy, so früh heute? Hat der Arzt Sie davon in Kenntnis
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