Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
dir von den Vorgängen im Heerlager zu berichten, doch soviel ich von Fray Hernando gehört habe, hat sich nichts ereignet, das sich zu berichten lohnte – außer vielleicht, dass es mit jeder Woche ein wenig kleiner wird, obgleich sich der König und seine Hauptleute bemühen, den Männern das Warten angenehm zu gestalten.«
»Die Männer wollen aber nicht mehr länger warten«, erklang die Stimme von Kardinal Mendoza hinter ihnen, der unbemerkt eingetreten war.
Isabel nickte. »Ja, die Entscheidung muss endlich fallen, denn mit jeder Woche, die ungenutzt verstreicht, werden unsere Aussichten schlechter.«
Der Kardinal stimmte ihr zu, und Isabel musste ihn nicht lange drängen, um ihm das Versprechen abzuringen, ins Lager zu reiten und Fernando ins Gewissen zu reden.
»Ich fürchte, er wird eher auf Euch als auf meine Stimme hören«, fügte sie ein wenig verbittert hinzu, doch zu ihrer Überraschung schlug der Kardinal vor, sie solle ihn begleiten.
»Wenn Euch das nicht zu anstrengend ist, nach der langen Reise«, fügte er mit einem seltsamen Lächeln hinzu, das sich vertiefte, als Isabel dies schroff von sich wies.
»Natürlich komme ich mit! Wir können jederzeit aufbrechen!«
»Nein, nein«, wehrte er ab. »Ihr seid ja noch nicht einmal aus Euren Reisekleidern herausgekommen. Ruht Euch aus, und setzt Euch heute Abend mit Euren Getreuen an die Tafel. Morgen ist immer noch Zeit genug, das Zaudern des Königs in Mut zu verwandeln.«
Isabel fügte sich, vielleicht sogar ein wenig erleichtert, selbst wenn sie dies gekonnt verbarg.
Es musste etwas geschehen, so viel war klar. Isabel drängte auf eine Feldschlacht, und vielleicht wäre es ihr auch gelungen, den noch immer zaudernden König dazu zu bewegen, doch Alfonso verschanzte sich noch immer in Toro. Es drohte ihnen wieder eine nervenaufreibende Belagerung. Irgendetwas musste passieren, um den Portugiesen aus der Reserve zu locken.
»Er kann damit doch auch nicht zufrieden sein!«, ereiferte sich Isabel, die wieder einmal wie eine gefangene Raubkatze im Saal auf und ab ging. »Jetzt sitzt er seit Monaten hier fest und kommt nicht vor und nicht zurück, weil unser Heer ihm den Weg versperrt.«
»Er hofft halt noch immer, dass wir den ersten fatalen Schritt tun und ihm damit einen Vorteil bieten«, meinte Beatriz.
»Und wenn schon«, rief Isabel und ballte die Fäuste. »Immer noch besser, als gar nichts zu tun außer zuzusehen, wie sich die Truppe mehr und mehr auflöst.«
Jimena, die wieder einmal in ihren Träumen gefangen zu sein schien, hob plötzlich den Kopf und starrte Isabel an.
»Wir müssen den ersten Schritt tun, das ist richtig, aber es darf nicht der falsche sein. Keinen, den er erwartet. Eine List, ja, das wäre die Lösung.«
»Und was sollte das sein?«, erkundigte sich Isabel mit zusammengezogenen Brauen.
»Ich habe vergangene Nacht von Troja geträumt. Erin nert Ihr euch? Wir haben die Heldensage in der Bibliothek in Segovia gelesen.«
Beatriz runzelte die Stirn. »War das die Geschichte mit dem Pferd? Du willst doch nicht etwa, dass Isabel Alfonso ein hölzernes Pferd schickt?«
Jimena verdrehte die Augen. »Nein, ich meine das im übertragenen Sinn. Sie muss eine List anwenden. Die Gefahr muss unvermittelt von innen kommen, wo Alfonso sie nicht erwartet. Das wird ihn aus der Reserve locken, und er wird sich mit heißem Zorn in die Schlacht stürzen.«
Isabel hielt in ihrem Lauf inne. »Das hört sich gut an, aber was sollte das für eine Gefahr aus dem Innern sein?«
Jimena breitete die Arme aus und lächelte ein wenig bitter. »Wie so oft in der Geschichte: Verrat!«
»Verrat durch den Feind im Innern der Mauern«, wiederholte Isabel nachdenklich. »Das ist gut. Was meinst du? Toro selbst oder lieber Zamora?«
»Ich verstehe gar nichts«, maulte Beatriz. »Könnte mir jemand diesen tollen Plan so erklären, dass auch ich weiß, wovon ihr redet?«
»Ich würde Zamora vorschlagen«, sagte Jimena, ohne auf Beatriz’ Zwischenfrage einzugehen. »Anders als Burgos hat sich die Stadt nicht aus freien Stücken von seiner Königin abgewandt.«
»Sie haben ihm die Tore geöffnet!«, widersprach Isabel heftig.
»Ja, doch mehr aus Angst denn aus Überzeugung. Die meisten Bürger und Hidalgos der Stadt sind keine Anhänger Juanas und der portugiesischen Sache!«
»Woher willst du das wissen?«
Jimena lächelte. »Ich habe mich auf unserem Ritt von Burgos her ein wenig mit Don Miguel unterhalten. Seine Familie ist noch in
Weitere Kostenlose Bücher