Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
Zamora, und er meint, dass die meisten dort – zumindest im Geheimen – zu ihrer Königin halten würden.«
»Im Geheimen!«, empörte sich Isabel. »Was nützt das? Sie müssen zu den Waffen greifen und die Portugiesen hinauswerfen!«
»Vielleicht werden sie das tun, wenn einer die Initiative ergreift und sich vor sie stellt – und wenn sie wissen, dass draußen in der Nacht verborgen die Männer der Königin nur darauf warten, sie zu unterstützen!«
»Hm.« Isabel kaute auf ihrer Lippe und nahm ihren Marsch durch die Halle wieder auf. »Und Don Miguel wäre der Mann?«
»Ich denke schon, und er hat auch eine Idee, wie wir unbemerkt in die Stadt gelangen.«
»Wir?«, riefen Isabel und Beatriz wie aus einem Munde.
»Ich meine: er und ich. Was könnte unauffälliger sein als ein Mann und eine Frau, die in die Stadt zurückkehren? Schließlich ist sie nicht von einem Belagerungsring umschlossen.«
Es dauerte eine ganze Weile, ehe es Jimena gelang, die Königin von ihrem Plan zu überzeugen, doch schließlich gab sie nach.
»Ich habe es zwar gehofft, aber – ganz ehrlich – ich hätte nicht gedacht, dass es so leicht würde, in die Stadt zu gelangen«, gestand Jimena leise, als sie an Don Miguels Seite hinter der Kirche San Juan in die breite Gasse einbog, die die Stadt in der Mitte wie Kuchenstücke in zwei Hälften teilte. »Die Wächter am Tor haben uns nicht einmal gefragt, wer wir sind und woher wir kommen.«
Der bärtige Riese nickte. »Ja, wie Ihr vermutet habt, richten sie ihr Augenmerk nur auf die offensichtliche Gefahr, die in Rüstung oder auf einem Streitross daherkommt.«
Wie Jimena trug er einen unauffälligen Wollumhang mit Kapuze. Seine einzige Waffe war ein langer Dolch, den er verborgen an seinem Gürtel trug. Auf sein Schwert hatte er schweren Herzens verzichtet.
Die Stadt Zamora erhob sich auf einem felsigen Hügel in Form eines abgerundeten Keils, dessen eine Längsseite sich am Nordufer des Duero entlangzog. Die Spitze zeigte auf den Zufluss des schmalen Flüsschens Arroyo de Valderrey im Westen, wo sich die Kathedrale der Stadt und der Bischofspalast erhoben und – ganz an der Spitze – die Festung mit ihrem breiten Graben und den trutzigen Mauern. Mit leiser Stimme berichtete Don Miguel über die Stadt.
»Ich nehme an, dass der Portugiese die meisten Männer in der Burg oder in der Nähe der Brücke postiert hat. Und natürlich an den Toren, doch wie wir gesehen haben, scheinen diese nicht besonders wachsam zu sein.«
Jimena nickte. Die noch aus der Zeit der großen Könige der Reconquista stammende Brücke schwang sich an der breitesten Stelle des Flusses über das Wasser und war der Schatz der Stadt, der ihr den Handel und damit Waren und Geld brachte.
Dass die Brücke besonders gut bewacht werden würde, hatten sie vorausgesehen und den Duero bereits in Tordesillas überquert. Mit einer Truppe, die Kardinal Mendoza selbst zusammengestellt hatte, waren sie am Nordufer entlanggeritten und hatten Toro in einem weiten Bogen gemieden, um nicht aus Versehen entdeckt zu werden. Noch im Schutz der Dunkelheit hatten sie sich dem nach der einstigen Stadtherrin Königin Urraca benannten Tor im Norden von Zamora so weit genähert, wie sie es noch für sicher hielten. Den Rest des Weges mussten Jimena und Don Miguel allein zurücklegen. Sie schlugen einen Bogen und warteten, bis es hell wurde, die Tore geöffnet und die Gassen mit Leben erfüllt waren, sodass sie nicht so sehr auffielen. Dann schlenderten sie über den Karrenweg auf die Mauer zu und passierten ohne Schwierigkeiten das Tor. Ihr nächstes Ziel war der Stadtpalast des Herzogs von Alba ein Stück die Gasse hinunter. Don Miguel war ein Vetter zweiten Grades der Herzogin und konnte fest damit rechnen, im Palast willkommen geheißen zu werden. Der Herzog selbst weilte nicht in Zamora. Er hatte sich vermutlich in seine Burg in Alba de Tormes in der Nähe von Salamanca zurückgezogen. Zwei seiner Söhne standen allerdings mit einem Kontingent von Rittern und Bogenschützen im Lager König Fernandos unter Kardinal Mendozas Befehl. So war sich Don Miguel sicher, einige Verbündete hier im Palast anzutreffen, die wussten, wer in der Stadt aufseiten der Königin stand und mutig und entschlossen den Plan unterstützen würde.
Erstaunt und gleichermaßen erfreut beobachtete Jimena, wie umsichtig Don Miguel zu Werke ging. Wie schnell sich die von ihm und den beiden anwesenden Abkömmlingen des Hauses Alba ausgewählten Männer im
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