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Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Titel: Das kastilische Erbe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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geschlungen. Wieder fuhr ein Blitz ganz in der Nähe herunter, und der gleißende Schein war noch nicht erloschen, als das Dröhnen die Grundfesten des Hauses erschütterte. Noch immer konnte Isaura die Gestalten um sich herum spüren. Mit eisigen Fingern schienen sie nach ihr zu greifen. Da war die dunkle Königin aus ihrem Palastgefängnis und das Mädchen mit dem tieftraurigen Blick, da war aber auch eine andere Gestalt, nicht wirklich schön mit blasser Haut und flachsfarbenem Haar, doch einer Haltung und einem Ausdruck in ihrem Blick, der selbst ihr prächtiges Gewand noch an königlicher Würde überstrahlte. Noch mehr Frauen umdrängten sie und flüsterten auf sie ein. Eine davon sah ihr verblüffend ähnlich – oder war es die Unbekannte aus dem Gemälde? War es die Caminata ?
    Isaura wusste es nicht, und sie wollte im Augenblick auch nichts mehr wissen. Das war mehr, als sie ertragen konnte. Sie war dabei, verrückt zu werden! Ganz klar. Tränen rannen ihr über die Wangen. Eine andere Erklärung konnte es nicht geben. Sie hatte ihren Mann fast umgebracht und sich dann in einem Häuschen am Ende der Zivilisation in der Einsamkeit vergraben. Wie konnte das anders enden?
    Vielleicht sollte sie von hier fortgehen, an einen Ort, wo sie Hilfe und Heilung vor den bedrückenden Visionen und Träumen finden konnte.
    Isaura bückte sich unter dem Türrahmen durch und tastete sich an der Wand entlang bis zur Treppe und dann weiter hinunter in die Küche. Sie schrie auf, als plötzlich etwas ihre Beine berührte. Mit einem Schluchzen sank sie in die Knie, als ihr bewusst wurde, dass es der Kater war, der tröstend um ihre Beine strich.
    »Golondrino, komm zu mir«, lockte sie mit brüchiger Stimme. »Sag mir, was ist mit mir los? Werde ich wirklich verrückt?«
    Das Maunzen des Katers ging in einem weiteren Donnerschlag unter. Sie spürte den Fliesenboden unter ihren Füßen vibrieren. Nein, keine Minute länger würde sie in diesem Haus bleiben! Es war verflucht, und es wollte sie in den Wahnsinn treiben mit seinen Schatten und flüsternden Stimmen. Sie musste sich in Sicherheit bringen. Jetzt! Sofort!
    Isaura klemmte sich den protestierenden Kater unter den Arm. Obgleich es stockdunkel um sie war, lief sie zu der Kom mode im Windfang und ergriff den Autoschlüssel. Sie riss die Haustür auf und stürzte hinaus. Im Flackern der Blitze rannte sie zum Schuppen hinüber. Der Regen prasselte wie mit eisigen Nadeln auf sie herab, und noch ehe sie den Hof zur Hälfte überquert hatten, waren sie und der Kater durchweicht.
    »Halt still!«, herrschte sie das sich wehrende Tier an, das lautstark protestierte und – als das nicht half, den Griff zu lockern – die Krallen ausfuhr. Doch Isaura bemerkte es kaum. Mit fahrigen Bewegungen öffnete sie die Wagentür und rutschte mit dem Kater auf die vordere Sitzbank. Wie in Trance zerrte sie an dem Verdeck und startete dann den Motor des alten Autos. Es heulte protestierend auf, als sie hart den Gang einlegte und das Gaspedal durchdrückte. Mit einem Satz sprang der Wagen aus dem Schuppen und schlingerte über den Hof. Den Scheinwerfern gelang es kaum, die Fluten, die vom Himmel stürzten, zu durchdringen. Der Scheibenwischer ruckelte ächzend über das Glas, ohne ihr wirklich Sicht zu verschaffen, doch Isaura fuhr weiter. Schnell. Viel zu schnell. Die Reifen drohten mal in den vollgelaufenen Schlaglöchern des Weges zu versacken, mal glitten sie über schlammigem Grund zur Seite. Isaura wurde auf ihrem Sitz herumgeschleudert. Der Kater krallte sich maunzend in das Polster, doch Isaura gab nicht nach, obwohl sie kaum sah, wohin sie den Wagen steuerte. Endlich schoss er an dem abgestorbenen Baum vorbei, der im Licht eines Blitzes wie ein Riese vor ihr aufragte. Isaura folgte der Landstraße nach Tordesillas und dann am Ufer des Duero entlang.
    Ihr Fuß trat auf die Bremse, ohne dass sie das beabsich tigt hätte. Der Wagen geriet ins Schleudern. Sie konnte ihren Schrei hören, das Splittern von Glas und Justus’ entsetzten Ausruf, ehe sich das Auto überschlug. Würde sich die Geschichte wiederholen? Würde sie nun in den Trümmern eines Wagens sterben? Hätte sie bei diesem Unfall nicht sterben oder zumindest ebenfalls schwer verletzt werden müssen? War das jetzt nur die Korrektur eines Fehlers?
    Wessen Fehler? Gottes? Der das nun korrigieren wollte? Das hörte sich verdammt nach einem schlechten Hollywoodfilm an.
    Mit einem Ruck kam der Wagen zum Stehen, und durch die

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