Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
fürchte, das wird sie nicht tun«, gab Jimena leise zurück. Sie hatte eine Welle von Begehren empfangen, als die Dame an ihnen vorbeirauschte.
»Nein, ich fürchte, das dumme Geschöpf läuft direkt in sein Unglück«, stimmte Isabel zu und nippte an ihrem Pokal, der nur mit Wasser gefüllt war. Jimena und Beatriz achteten zwar darauf, sich nicht zu sehr am Wein zu berauschen, doch Isabel verzichtete ganz darauf und blieb trotz mancher Spöttelei stets bei Wasser.
»Wie kann sie nur so etwas tun?«, schimpfte Beatriz leise. »Sie muss doch wissen, dass er sie nicht heiraten kann!«
»Oh, Doña Maria ist nicht die Einzige hier, die nicht mehr als Jungfrau die Ehe eingehen wird«, erklang plötzlich eine näselnde Stimme, die die Freundinnen herumfahren ließ.
»Darf ich mich setzen? So viel junges Blut auf weichen Kissen, da kann ich einfach nicht widerstehen!«
Isabel schenkte ihm einen kalten Blick, schickte ihn aber nicht weg. »Wenn Ihr es wünscht, Don Angelo.« Offensichtlich kannte sie ihn – im Gegensatz zu Jimena, die keine Ahnung hatte, wer der junge Mann war, der sich so unverschämt zwischen sie drängte.
Isabel übernahm es, sie einander vorzustellen. »Don Angelo ist der zweitgeborene Sohn des Grafen von Bena vente«, sagte sie.
»Und ganz bestimmt kein Engel«, fügte der Grafensohn mit einem entwaffnenden Grinsen hinzu. »Eher das schwarze Schaf der Familie, das sich weder für eine Laufbahn als Kirchenmann noch für den ehrenvollen Tod eines Ritters auf dem Schlachtfeld erwärmen kann.«
»Ach, und was bevorzugt Ihr dann?«, erkundigte sich Beatriz spitz. »Wein, Weib und Müßiggang am Hof des Königs?«
Sein Lächeln wurde noch breiter. »Ja, das auf alle Fälle. Es ist nicht nur bequemer. Es ist auch deutlich unterhaltsamer.«
Gegen ihren Willen musste Jimena lachen. Neugierig betrachtete sie den jungen Mann mit dem einnehmenden Gesicht, der ein modisches Wams mit Goldknöpfen über einem Hemd mit bauschigen Ärmeln und einer kaum knielangen Hose trug. Er war nur mittelgroß, aber schlank. Seine Seidenstrümpfe waren blütenweiß und umspannten wohlgeformte Waden, die vermuten ließen, dass er sich doch nicht nur dem Müßiggang hingab.
»Ja, lacht Ihr nur, Doña Jimena, das steht Euch viel besser zu Gesicht als die moralische Abscheu im Antlitz Eurer Freundin. Ihr seid hier bei Hofe! Man muss sich einfach amüsieren, schon allein, um den König zum Dank für seine Großzügigkeit mit fröhlichen Gesichtern zu umgeben, selbst wenn er selbst zur Laute greift und wir seine melancholischen Lieder über uns ergehen lassen müssen, die er genauso liebt wie einsame Waldspaziergänge.«
Die Grimasse, mit der er seine Worte kommentierte, brachte selbst Beatriz und Isabel zum Lachen, was sie aber nicht davon abhielt, ihn zu rügen.
»Wie könnt Ihr hier in seinem Saal so respektlos von unserem König sprechen!«
Der junge Mann hob die Schultern. »Ach, hier nimmt keiner ein Blatt vor den Mund, daran hat er sich längst gewöhnt und verübelt niemandem etwas. Hauptsache, alle seine Gäste fühlen sich wohl. Seht Ihr, wie er lächelt?«
Sie folgten seinem Blick und sahen zum König, der sich neben seine Tochter Juana gesetzt hatte, die mit ihrer Kinderfrau ebenfalls noch im Saal weilte. Die Infantin lächelte zum König auf. Trotz ihrer erst drei Jahre konnte man schon erkennen, dass sie ihm nicht ähnlich sah, was Jimena in diesem Moment noch für einen Glücksfall für das Kind hielt. Sein Haar war im Gegensatz zu dem des Königs dunkel und dicht und begann sich bereits in sanfte Locken zu legen. Auch ihre Augen waren dunkel, und ihre Nase war gerade und eher ein wenig zu kurz. Ihre Glieder schienen wohlproportioniert. Ja, ein hübsches, vielversprechendes Kind, doch Jimena spürte eine Aura des Leides um sie. Das Leben würde es nicht gut mit ihr meinen. Was für ein Glück, dass das Kind davon noch nichts ahnte, sondern fröhlich über die Späße seines Vaters lachte.
Da fiel ihr ein, dass sie die Mutter noch gar nicht kennengelernt hatten.
»Wo ist eigentlich die Königin?«, erkundigte sich Jimena. »Wir hatten noch nicht die Ehre, ihr unsere Aufwartung zu machen.«
»Ach ja, die jetzige Gemahlin unseres Königs«, wiederholte der Höfling gedehnt. »Sie weilt seit vielen Monaten an einem anderen Ort, an dem keiner vom Hof sie zu Gesicht bekommt, doch wenn man den Gerüchten glauben darf, wird sie bald an den Hof zurückkehren. Ich vermute einmal, sobald sie wieder in ihre Kleider
Weitere Kostenlose Bücher