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Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Titel: Das kastilische Erbe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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versichern. Das Werk unterscheidet sich von den üblichen Biografien und Abhandlungen über diese Zeit, das werden Sie schnell merken, wenn Sie sich mit dem Thema genauer befassen. Aber woher stammen die Unterschiede und diese Fülle von Detailinformationen? Gibt es eine Quelle, die allen anderen verschlossen war? Ist es nur die Fantasie einer Romanschriftstellerin, oder haben wir es mit einer Augenzeugin zu tun, deren Werk über die Jahrhunderte überliefert und gedruckt wurde?«
    »Das kann man nicht feststellen?«, wunderte sich Isaura.
    Der Antiquar hob die Schultern. »In diesem Fall gibt es keine Einigung. Eines jedenfalls ist sicher, aus unseren Tagen stammt die Autorin nicht, selbst wenn ihre Sprache das vermuten lässt. Dieses Exemplar, das Sie in Händen halten, wurde 1873 gedruckt, und es gibt noch ältere Ausgaben, von denen ich leider noch keine in meinen Besitz bringen konnte.«
    Isaura schlug das Buch zu und gab es ihm mit Bedauern zurück. »Dann ist es sicher sehr wertvoll.«
    Herr Collmann nickte. »Ja, und ich gebe es auch nicht aus der Hand. Wenn es Sie aber interessiert, dann hätte ich noch einen günstigeren Nachdruck, den ich selbst vor einigen Jahren in einer überschaubaren Auflage in Auftrag gegeben haben.« Wieder verschwand er im Hinterzimmer und kam mit einer unauffälligeren Version des Buchs zurück, nach dem Isaura begehrlich ihre Hand ausstreckte. Obgleich der Antiquar auch für diese Ausgabe fast hundert Euro verlangte, hatte sie sich längst entschieden. Sie musste das Buch dieser geheimnisvollen Caminata haben! Isaura folgte dem Ladenbesitzer zu seiner altmodischen Kasse und bezahlte. Er wickelte das Buch sorgsam in Seidenpapier ein und schlang eine Schnur um das Päckchen, ehe er es ihr reichte.
    »Kommen Sie wieder, wenn Sie es gelesen haben – ich meine, nur wenn Sie möchten. Wenn Sie das Bedürfnis haben, darüber zu reden. Es werden Ihnen viele Fragen kommen, und manches Mal werden Sie ungläubig den Kopf schütteln. Und dennoch wird es Sie nicht mehr loslassen. Und wenn Sie die letzte Seite umgeblättert haben, wird alles ein wenig anders sein als zuvor.«
    Wieder musste Isaura an die unendliche Geschichte denken und lächelte.
    »Also ein richtig magisches Buch, wenn auch ohne Glücksdrachen?«
    Der Antiquar erwiderte ihr Lächeln und schüttelte dann mit Bedauern den Kopf. »Nein, Glücksdrachen scheint es im alten Spanien nicht gegeben zu haben, aber vermutlich mehr Magie, als Sie und ich uns vorstellen können.«
    Isaura verließ den Laden und eilte zu ihrem Wagen zurück. Sie konnte es kaum abwarten, bis sie endlich daheim war und einen ersten Blick in das Buch werfen konnte.

Kapitel 5
    Segovia, 1464
    Es war für Jimena nicht einfach, sich an das neue Leben im Alcázar von Segovia zu gewöhnen. Einerseits war der Palast herrlich und so prächtig, dass Jimena manches Mal nur staunend umherschlenderte und sich nicht sattsehen konnte. Anderseits unterschied sich das Leben hier von ihren behüteten Jahren in Arévalo so sehr, dass sie sich immer wieder ertappte, wie sie sich nach dem alten, dunklen Palast zurücksehnte. Hier war alles so verwirrend. So empörend! Entgegen allem, was ihre Tante ihr an Tugenden beigebracht hatte!
    Sie waren erst drei Tage in Segovia, als Dominga am Abend ihre Tochter und ihre Nichte zu sich in ihr gemeinsames Gemach rief. Ihre Miene war ernst, und Jimena konnte ihre Besorgnis spüren.
    »Was ist denn passiert?«, erkundigte sie sich.
    »Nichts, noch nichts, mein Kind«, gab Dominga mit einem Seufzer zurück.
    »Dann wird bald etwas passieren?«, hakte Jimena nach. »Du sorgst dich doch nicht ohne Grund.« Plötzlich schrak sie zusammen. »Nein!«, rief sie. Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag. »Du verlässt uns?«
    Dominga nickte und seufzte noch einmal. »Ich muss zurück nach Arévalo. Ich habe es Ihrer Hoheit versprochen.«
    Jimena stieß einen Schrei aus und klammerte sich an ihre Tante. »Ich kann hier nicht allein bleiben. Nimm mich wieder mit nach Arévalo.«
    Dominga nahm sie in die Arme und streichelte ihren Rücken, dennoch klang ihre Stimme streng. »Du weißt, dass du Unsinn redest. Dein Platz ist hier. Du gehörst zu Isabels Damen, und du wirst ihr treu zur Seite stehen!«
    Jimena nickte unter Tränen. »Ja, aber ich fürchte mich hier, wenn du nicht da bist.«
    Wie gern hätte sie die tröstenden Worte gehört: »Es gibt nichts, wovor du dich fürchten musst, mein Kind«, doch ihre Tante sprach sie nicht aus. Sie hatte

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