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Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Titel: Das kastilische Erbe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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hast du mich erschreckt«, rief sie erleichtert und ging in die Hocke, um ihn zu streicheln. Misstrauisch wich er ein Stück zurück, kam dann aber näher, als sie still mit ausgestreckter Hand wartete. Schließlich rieb er vertrauensvoll seinen Kopf an ihrem Knie und ließ sich bereitwillig kraulen.
    »Hast du Großtante Carmen gehört?«, fragte sie das Tier, das zwar recht groß war, nicht aber besonders gut genährt.
    Der Kater maunzte. Egal, was dies bedeuten sollte, es war auf alle Fälle eine Aufforderung, ihm etwas zu essen zu geben.
    »Warte. Ich will mal sehen, ob ich etwas für dich finde.«
    So etwas wie Katzenfutter fand sie in Carmens Speisekammer nicht, dafür jede Menge Eingemachtes: Marmelade, Obst und sauer eingelegtes Gemüse. Außerdem gab es Zwiebeln, Kartoffeln und eine Kiste mit bereits schrumpeligen Äpfeln und einen ganzen getrockneten Schinken, der an einem Haken von der Decke hing. Es roch intensiv nach allerlei Kräutern. Isaura legte den Kopf in den Nacken und betrachtete staunend die unzähligen trockenen Bündel, die neben dem Schinken an der Decke befestigt waren.
    Mit einem Maunzen brachte sich der Kater wieder in Erinnerung. »Ja, ja, ich habe dich nicht vergessen!«
    Sie ging hinaus zu ihrem Wagen und holte die Kiste mit den Lebensmitteln, die sie unterwegs eingekauft hatte.
    »Dann wollen wir mal essen!«, schlug sie vor, während sie dem Kater Milch in eine Schale goss. Sie selbst öffnete sich eine Flasche Rotwein, schnitt frisches Brot auf, viertelte sich einige Tomaten und öffnete eine Dose Oliven. Da sie ihm nichts anderes anbieten konnte, teilte sie brüderlich ihren gekochten Schinken mit dem hungrigen Tier und schnitt sich selbst ein paar Scheiben von Carmens Ibericoschinken ab, der ganz köstlich schmeckte. Der Kater fraß alles auf, trank seine Milch und rollte sich dann auf einem der Kissen auf der Eckbank zusammen. Isaura schenkte sich noch ein wenig Wein nach und setzte ihren Erkundungsgang durch das Haus fort. Das dauerte nicht allzu lange, denn groß war das Häuschen nicht. Die zweite Hälfte des Erdgeschosses nahm das Wohnzimmer mit seinen spärlichen Möbeln und einem Kachelofen ein. Unter der Treppe gab es eine wohl nachträglich eingebaute Toilette. Na, immerhin musste man nachts nicht zu einem Häuschen in den Hof! Das obere Stockwerk lag unter dem Pultdach und beherbergte ein winziges Arbeitszimmer, ein ebenfalls später eingebautes Bad, das kaum moderner war als die Küche, und eine spartanische Schlafkammer mit einem kleinen Fenster zum Hof hinaus. Durch die Neigung des Dachs konnte man nur auf dieser Seite aufrecht stehen. Über dem Bett zog sich die Decke fast bedrückend tief herab.
    Isaura zog das Bett ab und suchte in den beiden alten Bauernschränken und einer noch älteren Truhe nach Bettwäsche. Wieder kam sie sich wie ein Eindringling vor. Welches Recht hatte sie, in Carmens Wäsche zu wühlen?
    Sie fand altes, steifes Leinen, sorgfältig geplättet, das man weitervererbte und für die Töchter in einer Aussteuertruhe sammelte, bis es so weit war, dass sie das Haus verließen, um mit dem Ehemann einen eigenen Hausstand zu gründen. Doch Carmen hatte nie geheiratet. Isaura beugte sich noch einmal über die Truhe und nahm ein Holzkästchen heraus. Es war mit wunderschönen Intarsien geschmückt und von ihrer Großtante sicher in Ehren gehalten worden.
    War ihre Ehelosigkeit für die Familie ein Problem gewesen, oder für Carmen selbst? Hatte sie darunter gelitten? War es zu diesen Zeiten gar als Schande angesehen worden? So viele Fragen, die ihr keiner beantwortete.
    Sie sind auch nicht wichtig, säuselte eine Stimme wie ein leichter Windhauch. Auf die entscheidenden Fragen wirst du Antworten finden.
    Dieses Mal erschreckte sie nicht. Sie lauschte und hörte den Wind, der stärker geworden sein musste, um die Ecken heulen. Isaura spürte, wie sich die Härchen in ihrem Nacken aufstellten. Sie hatte wieder dieses Gefühl, nicht allein zu sein, und dieses Mal kam das sicher nicht von dem Kater, der satt und zufrieden in der Küche schlief.
    Ein wenig eilig verließ sie das Schlafkämmerchen und ging, das Kästchen unter dem Arm, die Treppe hinunter und in die behaglich erhellte Küche zurück. Auf dem Weg schob sie noch den schweren Riegel der Haustür zu, der sicher schon eine Ewigkeit nicht mehr benutzt worden war – so unwillig, wie er sich bewegen ließ. Vermutlich hatte ihre Großtante Carmen dies nicht für notwendig erachtet. Isaura jedenfalls

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