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Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Titel: Das kastilische Erbe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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gab der vorgeschobene Riegel ein Gefühl von Sicherheit. Sie zog auch die schweren Vorhänge vor jedem Fenster zu, die hier weniger der Privatsphäre dienten als vielmehr gegen die Zugluft schützen sollten, denn wirklich dicht war keines dieser Fenster!
    Isaura setzte sich wieder zu dem Kater auf die Eckbank und stellte das Kästchen vor sich auf den Tisch. Sie betrachtete es eine ganze Weile, ehe sie es öffnete. Sie legte ihre beiden Handflächen auf die Seiten. Das Holz fühlte sich warm an und vertraut. Ihre Haut begann zu prickeln. Isaura spürte, wie ihr Atem schneller ging. Selbst der Kater hob den Kopf und sah sie intensiv aus seinen grünen Augen an, so als ahnte selbst er, dass nun etwas geschehen würde. Isaura hielt inne.
    Geschehen? Was sollte denn geschehen, wenn sie den Deckel dieses Kästchens öffnete?
    »Vielleicht springt mich gleich eine Giftschlange an«, scherzte sie, um die Beklemmung zu überspielen. »Was meinst du, Kater?«
    Der Angesprochene blinzelte kurz und fixierte dann das Kästchen.
    »Wollen wir es wagen?«
    Der Kater maunzte und sprang auf den Tisch. Er stieß mit der Nase gegen den Deckel.
    »Dann ist wohl eher eine Maus darin«, meinte Isaura und klappte den Deckel auf.
    Ein Schmuckkästchen. Wie sie vermutet hatte. Was sonst? Und dennoch hatte sie kurz ein Gefühl der Enttäuschung. Hatte sie wirklich etwas Spektakuläres erwartet? Vielleicht hatten diese Schätze Großtante Carmen sehr am Herzen gelegen, und sie hatte ab und zu hier an dieser Stelle abends im Lampenschein gesessen und sie betrachtet. Behutsam nahm Isaura das erste Stück aus der Truhe und faltete das schwarze Samttuch auseinander, mit dem es umwickelt war.
    Ein Ring. Ein goldener Reif mit einem Rubin und zwei Perlen. Alt. Sehr alt vielleicht. Isaura wollte nicht darüber nachdenken, wie viel er wohl wert sein mochte. Das tat nichts zur Sache. Dies war Familienschmuck, der ihr überlassen worden war, um ihn zu bewahren, nicht um ihn zu Geld zu machen.
    Das nächste Stück war ein Armreif, ihm folgten zwei Ketten und ein Haarschmuck, eine Anstecknadel und noch zwei Ringe. Weiter unten fand sie in einem Kästchen fein verarbeiteten Silberschmuck, der allerdings schwarz angelaufen war und dringend gereinigt werden sollte. Als Letztes hob sie ein flaches, quadratisches Kästchen heraus, das der Machart der Truhe entsprach. Wieder dieses Herzklopfen und das Kribbeln in den Handflächen. Der Kater maunzte und schlug unruhig mit dem Schwanz. Verschlossen stellte es Isaura vor sich auf den Tisch. Sie goss sich noch ein Glas Wein ein und trank einen Schluck, ehe sie es mit feierlicher Miene öffnete.
    »Nein, wie schön«, entfuhr es ihr. »Siehst du das, Kater? Was für ein Schatz!«
    Es war eine Kette, oder besser gesagt: ein Collier aus einer doppelten Reihe in Gold gefasster Perlen, unterbrochen von großen Rubinen, unter denen jeweils eine tropfenförmige Perle hing. Da lag es in seinem Bett aus Samt und funkelte im Lampenschein. Ehrfurchtsvoll strich Isaura mit den Fingerspitzen darüber. Was für ein wundervolles Schmuckstück! Auch dieses schien schon sehr alt zu sein und befand sich vermutlich seit vielen Generationen im Besitz der Familie. Und nun gehörte es ihr.
    Isaura lauschte in sich hinein. Es fühlte sich gut und richtig an. Ja, es war, als wäre etwas, das sie verloren hatte, zu ihr zurückgekehrt.
    Plötzlich begann sie zu zittern. Es fing in den Fingerspitzen an, mit denen sie über das Geschmeide strich, und setzte sich über ihren ganzen Körper fort. Ihr wurde schwindelig, und Isaura musste kurz die Augen schließen.
    Zu viel Wein, dachte sie. Natürlich. Das war sie nicht gewohnt, und die Flasche war inzwischen zu drei Vierteln geleert. Außerdem hatte sie tagsüber zu wenig gegessen. Sie atmete tief durch, um den Schwindel zu vertreiben. Ein Wirbel aus Farben kreiste hinter den geschlossenen Lidern. Dann wurde es dunkel und seltsam still. Sie konnte den Wind nicht mehr hören und auch nicht das Schnurren des Katers. Aus der Dunkelheit löste sich eine schattenhafte Gestalt, die auf sie zuging. Nein, sie entfernte sich von ihr, und sie selbst schritt hinter ihr her. Wer konnte das sein? Lange, schwere Röcke rauschten über den Boden.
    Sie war es. Nun erkannte Isaura die Frau an ihrem Gang und ihrem Geruch, der ihr so vertraut geworden war. Wie viele Nächte hatten sie schon geteilt? Allerdings im Traum und nicht, solange sie wach am Tisch gesessen hatte!
    Es musste doch am Wein liegen. Warum

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