Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
gewesen sein? Ich bin nur ein Mädchen, das seiner Königin dient.«
»Du hast ihr einen Dienst erwiesen. Einen großen Dienst, und damit vielleicht das Schicksal, das vom Kurs abzukommen drohte, in die richtige Richtung gelenkt!«
»Ich?« Jimena riss die Augen auf. »Du scherzt mit mir.«
Dominga schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Unter schätze deine Kräfte nicht. Du hast für Isabel getötet, und das weißt du auch.«
Jimena blieb ihr Protest im Hals stecken. »Don Pedro«, hauchte sie. »Aber wie kann das sein? Ich habe ihn ja nicht einmal gesehen.«
»Du meinst, nicht so wie bei jenem Höfling, der sich an Teresa vergreifen wollte?«
Nein, es sollte sie nicht wundern, dass Dominga auch davon wusste. Aber die Sache mit Don Pedro? Jimena wollte sie einfach nicht wahrhaben.
»Wenn ich etwas getan habe, dann nicht mit Absicht«, wehrte sie ab. »Obwohl ich natürlich froh bin, dass Isabel nicht diesen alten Mann aus dem Clan der Pachecos heiraten musste«, räumte sie ein.
Dominga setzte sich auf die Steinbank in der Fensternische und winkte Jimena zu sich. Teresa nahm sich ein Kissen vom Bett und setzte sich im Schneidersitz zu ihren Füßen, ihr Blick wie immer aufmerksam, damit ihr nichts von der Unterhaltung entging.
»Du sagst, du hast es nicht mit Absicht getan? Das ist nicht wahr! Es war durchaus in deiner Absicht, alles zu tun, um diese Eheschließung zu verhindern. Nein, widersprich mir nicht. Was ich dir glaube, ist, dass du es nicht kontrollieren konntest, denn du trägst die Kräfte zwar in dir, doch sie sind nicht deinem bewussten Willen unterworfen. Noch nicht! Und genau da müssen wir ansetzen. Du wirst von heute an bei mir lernen, mit den Kräften, die dir Mutter Natur gegeben hat, umzugehen und sie bewusst und willentlich einzusetzen.«
Jimena straffte den Rücken und wich ein wenig zurück. »Ach ja? Damit ich in Zukunft willentlich und bewusst morden kann?«
»Wenn es notwendig ist«, gab Dominga scharf zurück. »Jedenfalls ist es besser, du bist dir deiner Fähigkeiten bewusst, als dass du deine Kräfte deinem Unterbewusstsein überlässt, das in seinem Zorn sehr zerstörerisch sein kann! Wenn du in einem Anfall von Wut jemandem schadest oder ihn gar tötest, ist es für Reue zu spät. Denn eines muss ich dir gleich sagen: So mächtig unsere Kräfte auch sein können, Tote wiederzuerwecken steht nicht in unserer Macht. Wir können Leiden lindern und oft heilen, und wir können manches Mal sehen, wie viel Zeit einem Menschen noch bleibt, das ist alles. Hat der Tod seine Beute jedoch erst einmal zu sich geholt, dann ist es für uns zu spät. Vergiss das nie.«
Jimena sah ihre Tante nur starr an. Die Vorstellung, die Kräfte, die sie in sich spürte, zu beherrschen und einzusetzen, schreckte sie und war doch gleichermaßen verlockend.
»Gut«, gab sie schließlich nach. »Lehre mich, wie ich die Macht gebrauchen kann. Vielleicht sollten wir dann zusammen dafür sorgen, dass der Marquis de Villena keinen Schaden mehr anrichten kann!«
Dominga lächelte. »Ich werde dich unterrichten, mein liebes Kind, aber der Marquis wird nicht unser Opfer sein. Der Tod streckt bereits seine Hand nach ihm aus. Er wird nicht mehr lange der quälende Dorn im Fleisch sein.«
»Und dann wird sich Enrique wieder mit Isabel versöhnen?«, hakte Jimena begierig nach.
Dominga schüttelte den Kopf. »Nein. Kannst du es denn nicht sehen?«
Jimena schloss die Augen und konzentrierte sich darauf, das Bild des Königs heraufzubeschwören. Da saß er auf seinem Diwan, die Beine locker untergeschlagen. Wie so oft trug er ein bequemes, weites Gewand, das ihn wie einen Mauren hätte aussehen lassen, wären da nicht die weichen Gesichtszüge mit der langen, krummen Nase und dem rötlichen Haar gewesen. Ein fast trauriges Lächeln lag auf seinem Gesicht, als seine Finger über die Saiten seiner Laute strichen und ihr eine melancholische Melodie entlockten. Doch was war das? Es kam ihr vor, als schwebe eine schattenhafte Wolke über dem Haupt des Königs. Fleischlose Finger reckten sich und griffen gierig nach ihm. Entsetzt riss Jimena die Augen auf.
»Der Tod!«, stieß sie hervor. »Er greift auch nach dem König!« Schon einmal hatte sie es gesehen und nur wieder verdrängt.
Dominga nickte. »Ja, Enrique ist kein langes Leben be schert. Doch noch müssen wir ihn und seinen Widerstand ernst nehmen und dafür sorgen, dass Isabel und Fernando zusammenkommen. Je schneller sie verheiratet sind, desto besser. Ich
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