Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
wichtig, dass du genau weißt, was du tust!«, schärfte sie ihrer Schülerin ein. »Denn wenn du fehlst, dann bleibt dir nur noch, den Schaden zu beweinen.«
Jimena strengte sich an; dennoch war es nicht einfach, mit den Kräften, die in ihr schlummerten, umzugehen. Ihnen blieb viel zu wenig Zeit, um zu üben.
Eines Morgens fuhr Jimena mit einem Schrei aus dem Schlaf. Sie rannte aus dem Zimmer, ohne sich die Zeit zu nehmen, Beatriz’ schlaftrunkene Frage zu beantworten. Sie stieß beinahe mit Dominga zusammen, die auf dem Weg zum Gemach der Königinwitwe war. Doch Isabel von Portugal befand sich in keinem guten Zustand und war nicht in der Lage, Entscheidungen zu treffen.
Und Isabel? Nein, ihre Zeit war noch nicht gekommen. Zum ersten Mal vermisste Jimena Erzbischof Carrillo, doch der war nach Toledo zurückgekehrt. An wen also sollten sie sich wenden? Der Vorsteher des Schlosses tat ihre Worte als die schlechten Träume zweier närrischen Weiber ab. Nun war schon der halbe Haushalt auf den Beinen.
»Ich könnte mir wohl vorstellen, dass da etwas dran ist«, ergriff endlich Gutierre de Cárdenas die Partei von Tante und Nichte und erntete einen dankbaren Blick von Jimena.
»Don Gómez, schickt wenigstens zwei Boten hinaus.«
Gómez Manrique gab nach, und zu aller Entsetzen kamen die beiden Männer nur allzu bald mit ernsten Mienen und bösen Nachrichten zurück.
Ja, die beiden Frauen hatten recht gehabt. Ein Heer des Marquis de Villena war vor die Stadt gezogen und hatte begonnen, einen Ring um die Mauern zu schließen.
»Eine Belagerung?«, polterte Gómez Manrique. »Sollen sie es nur versuchen! Diese Mauern sind nicht so einfach einzunehmen, und noch müssen wir nicht fürchten, dass uns das Wasser allzu schnell knapp wird.«
»Wie lange können wir durchhalten?«, erkundigte sich Isabel, die wie so oft kühl und gefasst wirkte, doch keiner der Männer wollte ihr eine Antwort geben.
»Wir müssen Boten aussenden, solange der Ring noch nicht geschlossen ist!«, rief sie und erntete von Don Gutierre einen anerkennenden Blick.
»Ja, wir müssen Erzbischof Carrillo benachrichtigen.«
Und so wurden eilig Boten ausgesandt, die auf verschiede nen Wegen nach Toledo aufbrachen, damit zumindest einer von ihnen die Stadt erreichen würde. Zwei weitere Männer sandte Gutierre de Cárdenas ins nahegelegene Valladolid, das unter der Herrschaft von Admiral Enriquez stand.
»Warum das?«, wunderte sich Jimena. »Hat er nicht schon einmal mit Villena gemeinsame Sache gemacht?«
Dominga nickte. »Das ist richtig, aber er hat sich auch mit Enrique versöhnt und ihm erneut die Treue geschworen. Deshalb hat ihm der König ja auch Valladolid zurückgegeben. Anderseits ist er der Vater von Juana Enriquez und damit Fernandos Großvater. Ich denke, er wird sehr daran interessiert sein, dass diese Ehe geschlossen wird, und alles daransetzen, dass Enrique seine Schwester nicht in die Hände bekommt, um sie in irgendeinem Castillo wegsperren zu können, bis er sie mit jemand anderem verheiratet hat.«
Und so blieb den Eingeschlossenen nur, zu warten und zu hoffen, dass wenigstens einer der Boten sein Ziel erreichen und Hilfe kommen würde, ehe es dem Marquis gelang, die Stadt in die Knie zu zwingen.
»Die Mauern werden nicht so leicht fallen«, verbreitete Isabel trotzig Zuversicht. Sie war mit den Freundinnen auf den Wehrgang hinaufgestiegen und ließ den Blick über das Lager schweifen, das der Feind außerhalb der Schussweite von Pfeilen und Armbrustbolzen errichtet hatte.
»Ja, die Mauern werden halten«, pflichtete ihr Beatriz bei, der die Angst ins Gesicht geschrieben stand. »Doch was ist mit der Gesinnung der Menschen hier? Wie stark ist ihre Treue? Wann werden sie wanken und die Stadt dem König übergeben?«
Gern hätte Jimena ihr widersprochen, doch auch sie spürte, dass so mancher ob des zunehmenden Gegenwinds ins Grübeln darüber kam, ob es sich lohnen würde, der jungen Prinzessin die Treue zu halten.
»Wer weiß, was mit uns geschieht, wenn sie dem Mar quis die Tore öffnen«, hauchte Beatriz und schloss mit einem Schaudern die Augen.
Kapitel 18
Valladolid, 1469
Es waren zermürbende Tage hinter den Backsteinmauern und Türmen der Stadt. Die Belagerer hatten den Ring geschlossen. So drang keine Nachricht in die Stadt, und es konnten auch keine weiteren Botschaften verschickt werden. Ob überhaupt einer der Reiter sein Ziel erreicht hatte, wussten die Eingeschlossenen nicht.
»Selbst wenn es dem
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