Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
versuchte er Jimena an sich zu ziehen.
»Ist das denn so entscheidend? Ist es nicht wichtiger, dass wir zusammen sind?«
Ach, wie sehnte sie sich nach seinen Küssen, wie sehr nach seinen Armen, die sie eng umschließen und an seine Brust drücken sollten, doch Jimena blieb hart und wich ein Stück zurück.
»Ja, ich wäre gern mit dir zusammen. Ich ersehne nichts mehr, doch das ist nur möglich, wenn du hierbleibst.«
»Um mir dann vom Marquis de Villena als Verräter den Kopf abschlagen zu lassen, wenn er die Stadt einnimmt? Besten Dank, aber darauf verzichte ich. Nein, du musst nicht so ein verächtliches Gesicht machen. Ich fürchte den Tod nicht und bin bereit, alles zu riskieren, wenn ich überzeugt bin, für die rechte Sache zu kämpfen.«
Er drehte sich um und ging davon. Jimena war es, als wollte ihr Herz zerreißen. Sie musste sich zwingen, ihm nicht hinterherzulaufen, doch sie blieb stehen und sah ihm unter Tränen nach, bis er ihren Blicken entschwand.
Es war höchste Zeit! Selbst Jimena begann zu zweifeln, ob sich die Stadt auch nur einen Tag länger dem Marquis de Villena widersetzen würde, als Bewegung in das Belagerungsheer kam. In der Stadt begann es wie in einem Bienenkorb zu summen. Ein zweites Heer marschierte auf, doch auf welcher Seite stand es? Die Ungewissheit kam Jimena wie eine Ewigkeit vor, bis Don Gutierre behauptete, das Wappen des Admirals von Kastilien erkennen zu können.
Endlich! Er ritt vor seinen Männern mit erhobenem Schwert in seiner prächtigen Rüstung und stürmte wie eine glänzende Speerspitze durch die Reihen der Feinde, die zögernd zurückwichen. Hatte die Ankunft des Admirals sie überrascht? Oder stimmte das Gerücht, dass der Marquis sich nicht im Lager befand, sondern auf dem Weg zum König war, und sein Hauptmann erst nach ihm schicken wollte, ehe er eine Entscheidung traf?
Doch bis dahin war der Admiral mit seinen Männern längst in der Stadt und wurde von Isabel mit Würde begrüßt, die ihre Erleichterung nicht verbergen konnte.
»Ist ja gut, Hoheit«, wehrte der Admiral mit seiner direkten Art ab, die manchem zu schroff war, die Jimena aber angenehmer fand als die falschen Schmeicheleien der meisten Höflinge.
»Beeilt Euch und packt Euren Kram, damit wir von hier wegkommen, ehe die sich draußen von ihrem Schreck erholt haben und sich einig sind, was zu tun ist.«
»Ich kann jederzeit aufbrechen«, entgegnete Isabel und sah zu dem großen grauhaarigen Mann auf. »Helft mir auf ein Pferd, und ich bin bereit!«
Er lächelte über sein ganzes wettergegerbtes Gesicht, hob die Hand und tätschelte zur Überraschung aller Anwesenden die Wange der Thronerbin.
»Ich glaube, Ihr seid recht für meinen Fernando, Hoheit. Ich freue mich, wenn der Coup gelingt.«
Isabel lächelte zurück. »Gut. Was ist mit der Königin? Sie ist nicht in dem Zustand für eine lange Reise, aber hierlassen will ich sie auch nicht. Ich traue dem Marquis de Villena nicht über den Weg.«
So nahmen sie die verwirrte Isabel von Portugal mit, um sie zu ihrem Palast in Arévalo zu bringen. Das war zwar ein Umweg, doch immerhin hatten sie die Möglichkeit, an einem gesicherten Ort die Nacht zu verbringen, ohne fürchten zu müssen, von den Männern des Marquis überrascht zu werden.
Kaum eine halbe Stunde später öffnete sich das Tor, und die Vorhut des Admirals preschte hinaus. Sie teilten sich, um die Belagerer abzulenken und zu beschäftigen, bis der Admiral seine kostbare Fracht in Sicherheit bringen konnte.
Der Plan ging auf. Die Belagerer hatten sich noch immer nicht entschieden, wie sie reagieren sollten, was Jimena zu der Überzeugung brachte, dass Juan Pacheco wirklich nicht unter ihnen weilte.
»Oder er muss ein erbärmlicher Wicht sein«, kommentierte sie verächtlich das halbherzige Scharmützel zwischen den Belagerern und den Männern des Admirals. So hatten sie keine Schwierigkeiten, den Ring zu durchbrechen. Lediglich zwei der Männer trugen Verletzungen davon.
So schnell es ging, ritten sie nach Arévalo und erreichten das Schloss noch vor Einbruch der Dunkelheit.
Jimena hatte erwartet, dass der Admiral zu einem frühen Aufbruch drängen würde, doch sie hatten das rasch zubereitete Mahl gerade beendet und kaum zwei Stunden geruht, als er zu Isabel trat und riet, den Ritt auch während der Nacht fortzusetzen.
»Ich möchte Villena nur ungern die Chance geben, uns einzuholen und hier zu stellen, wo unsere Lage ganz sicher schlechter ist als in Madrigal. Es wäre
Weitere Kostenlose Bücher