Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
noch nicht kannte. Die Mädchen waren zu Frauen gereift. Sie konnte Isabel sehen und sich selbst, und sie erkannte Beatriz an der Seite eines ihr noch unbekannten, attraktiven Mannes. Jimena öffnete die Augen und lächelte Beatriz an.
»Ich hoffe, dass ich immer recht habe, denn dann werden wir uns eines Tages wiedersehen.«
»Als Feinde oder als Freunde?«, fragte Beatriz.
»Als Freunde natürlich, oder könntest du dir vorstellen, zu Isabels Feindin zu werden?«
Beatriz hob kläglich die Schultern. »Ach, ich zweifle gerade an allem und hadere mit dem Schicksal, das mich so schwach und ängstlich hat werden lassen.«
Jimena zog sie noch ein letztes Mal an sich. »Du musst nicht verzweifeln. Du wirst deine Zuversicht eines Tages wiederfinden. Du musst nur lernen, dir selbst zu vertrauen.«
Dann schritt sie mit Teresa in den nächtlichen Hof hinaus, wo ein weiterer Abschied auf sie wartete. Wie versprochen, blieb Dominga bei der Königinwitwe, um über sie zu wachen. Im Augenblick begriff sie offensichtlich nicht, wie ernst die Lage war, und beklagte nur, dass alle zu dieser unwirtlichen Stunde einen Ausritt unternehmen wollten. Isabel küsste ihrer Mutter die Hand, dann ließ sie sich aufs Pferd heben und trieb das Tier neben das Pferd von Don Gutierre de Cárdenas und das riesige Schlachtross des Admirals. Der nickte ihr zu und hob die Hand zum Aufbruch. Knarrend schwang das Tor auf und entließ die Reiterschar in die Nacht.
Wenn Jimena an diese Tage ihrer Flucht zurückdachte, dann spürte sie noch immer die brütende Hitze, die sie während des Rittes quälte. Die Stunden dehnten sich zur Ewigkeit, in der man nichts weiter tun konnte, als die Augen vor der blendenden Helligkeit niederzuschlagen und den Staub herunterzuschlucken, den jeder Hufschlag aufwirbelte und den jeder Atemzug bis tief in die Lunge saugte.
Der Sommer war in Kastilien eingezogen und hatte die kalte Luft aus den Bergen mit seinem glühenden Atem verdrängt. Einen Frühling mit milden Abenden beim Gesang der Nachtigall gab es hier auf der rauen Ebene nicht. Entweder hielt der Winterwind das Land mit seinen eisigen Fingern im Griff oder der Sommer dörrte es mit seiner Glut aus, bis auch das letzte Grün verschwand und der Wind staubige Wirbel vor sich hertrieb.
Mit trübem Blick und den Gedanken an kühles Nass erfüllt, ritten sie über die Hochebene, die sich endlos nach allen Seiten dehnte. Kaum ein Hügel erhob sich irgendwo, um dem Auge Abwechslung zu bieten. Lediglich das Tal des Río Adaja, dem sie eine Weile folgten, brachte dem Geist ein wenig Erfrischung. Doch selbst die hellen Felsen der niedrigen Talschultern schienen sich im heißen Wind in Staub aufzulösen. Während der Regen des Winters tiefe Furchen in den weichen Stein gefressen hatte, glättete der heiße Wind des Sommers die Kanten. Ein paar trockene Büsche hielten sich noch auf den Hügelkuppen. Braune Grashalme duckten sich unter den Böen. Kein Vogel und kein anderes Getier waren während der brütenden Mittagsstunden auszumachen, nur ihre Pferde zockelten unermüdlich weiter nach Norden. Die großen Schafherden der Mesta, der einflussreichen Vereinigung der Schafzüchter, waren längst in die Kühle der nördlichen Berge gezogen, wo es auch zu dieser Jahreszeit noch frisches Grün gab. Erst von den Regenfällen des Herbstes würden sich die Tiere wieder in den Süden treiben lassen, um dem Schnee in den Bergen zu entgehen.
Stumm zogen die Reiter dahin. Die Gespräche waren längst verstummt, brachte jedes Wort doch nur mehr Staub in die Kehle und ließ den Durst noch unerträglicher brennen. Der Admiral ritt stets voran und drängte darauf, die Pausen so kurz wie möglich zu halten. Dennoch beobachtete er die Frauen aufmerksam und mutete ihnen nicht mehr zu, als sie ertragen konnten. Keine von ihnen ließ auch nur einen Laut der Klage hören, und auch Teresa hielt sich erstaunlich gut. Ja, sie blickte sich gar mit heiterer Gelassenheit um, als ritten sie durch einen lieblichen Garten statt durch eine Gluthölle, die dem Fegefeuer alle Ehre gemacht hätte.
Endlich, am zweiten Abend, erreichten sie Valladolid. Jimena fielen immer wieder die Augen zu, und das Klappern der Hufe in den Gassen geriet ihr zum Schlaflied. Immer wieder fuhr sie hoch und riss die Augen auf, hätte aber nicht zu sagen gewusst, wo sie sich befanden. Endlich kam ihr die Gegend bekannt vor, und sie erkannte auch das wehrhafte Gebäude wieder, das sie schon einmal betreten hatten. Statt
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