Das Kastler-Manuskript - Ludlum, R: Kastler-Manuskript - THE CHANCELLOR MANUSCRIPT
suchte? Er stand auf und rannte davon.
Jetzt spürte er Asphalt unter den Füßen; er hatte die Straße erreicht. Vor ihm waren Häuser, neben ihm Wagen, die langsam dahinrollten. Er rannte weiter und wußte, daß hinter den dunklen Gebäuden und den vereinzelt stehenden Bäumen das Smithsonian aufragte.
Plötzlich stürzte er, überschlug sich auf dem Pflaster. Hinter sich hörte er die unverkennbaren Geräusche schneller Schritte. Sie hatten ihn gefunden!
Er rappelte sich auf, taumelte nach vorn, wie ein übereifriger Sprinter, der den Start verpatzt. Er rannte weiter, dorthin, wo sein Instinkt ihn leitete. Und plötzlich sah er es! Seine Zinnen zeichneten sich silhouettenhaft vor dem Himmel ab! Die Umrisse des Smithsonian! Er rannte, so schnell er konnte, über den endlosen Rasen, sprang über niedrig durchhängende Ketten, welche die Wege abgrenzten, bis er atemlos vor dem mächtigen Gebäude stand.
Er war da, aber wo war Longworth?
Einen Augenblick lang glaubte er, Geräusche hinter sich zu hören. Er drehte sich um; aber da war niemand.
Plötzlich blitzten von irgendwo in der Finsternis zwei winzige Lichtpunkte auf, jenseits der Stufen, die zu der Straße vor dem Eingang führten. Sie kamen von der linken Seite der Statue, welche die Treppe krönte, irgendwo in Augenhöhe. Jetzt blitzten sie wieder auf, als wären die Lichter auf ihn gerichtet! Er ging schnell auf die Lichtquelle zu. Näher, immer näher; zehn Meter, fünf Meter. Er ging auf eine dunkle Ecke des mächtigen Museums zu; vor den Steinquadern standen Büsche.
»Kastler! Runter!«
Peter warf sich zu Boden. Aus der Dunkelheit blitzte es zweimal auf: gedämpfte Pistolenschüsse. Hinter sich hörte er einen Körper fallen. Im dunklen Grau der Nacht sah er die Pistole in der Hand des Erschossenen. Sie war auf ihn gerichtet gewesen.
»Zerren Sie ihn hierher!« Ein geflüsterter Befehl aus der Dunkelheit.
Wie benommen tat Kastler, was man ihm aufgetragen hatte. Er zog die Leiche über das Gras in den Schatten und kroch dann auf Alan Longworth zu.
Der Mann hatte nicht mehr lange zu leben. Sein Rücken lehnte an der steinernen Mauer des Smithsonian. In der rechten Hand hielt er die Waffe, die Peters Leben gerettet hatte; die
linke war auf seinen Leib gepreßt. Seine Finger waren mit Blut bedeckt.
»Ich habe keine Zeit, Ihnen zu danken«, sagte Kastler, der kaum seine eigene Stimme hören konnte. »Vielleicht sollte ich das auch gar nicht. Er war einer von Ihren Männern.«
»Ich habe überhaupt keine Männer«, erwiderte der blondhaarige Killer.
»Darüber sprechen wir später. Sie kommen jetzt mit mir. Jetzt gleich.« Peter arbeitete sich verärgert hoch.
»Ich gehe nirgendwohin, Kastler. Wenn ich mich ruhig halte und mich nicht bewege, habe ich noch ein paar Minuten. Nicht, wenn ich mich bewege.«
Da war wieder jenes fremdartige, gutturale Geräusch in Longworth’ Stimme. »Dann werde ich jemanden suchen!« sagte Peter, in dessen Antwort sich jetzt die Furcht mischte. Er durfte Longworth nicht sterben lassen. Nicht jetzt . »Ich hole eine Ambulanz!«
»Eine Ambulanz kann mir nicht helfen. Glauben Sie mir das. Aber Ihnen muß man es sagen. Sie müssen verstehen.«
»Ich verstehe alles. Eine Gruppe von Fanatikern versucht, das FBI in Stücke zu reißen, um selbst die Kontrolle übernehmen zu können. Und Sie sind einer dieser Fanatiker.«
»Das ist nicht richtig. Das geht weit über das Bureau hinaus. Wir versuchen, sie aufzuhalten; ich habe es versucht. Und jetzt sind Sie der einzige, der es noch kann. Sie sind am weitesten vorgedrungen; keiner sonst hat solche Vorteile wie Sie.«
»Warum?«
Longworth schien die Frage zu ignorieren. Er atmete tief. »Die verschwundenen Archive. Hoovers Privatakten ...«
»Es gibt keine verschwundenen Archive!« unterbrach ihn Peter wütend. »Es gibt nur Männer wie Sie und den Mann, den sie gerade getötet haben. Sie haben einen Fehler gemacht, Longworth. Er war dabei, mich zu verfolgen, mich zu jagen. Er hat einen Ausweis gezeigt; er ist vom FBI! Er ist einer von Ihren Leuten!«
Longworth starrte die Leiche des Mannes an, den er getötet hatte. »Diese Wahnsinnigen haben also das von den Archiven erfahren. Ich kann mir vorstellen, daß das nicht zu vermeiden war. Derjenige, der sie hat, kann sie einsetzen. Und ihm wird man dann die Schuld für alles geben.«
Kastler hörte nicht zu. Das einzige, worauf es jetzt ankam, war, Longworth zu Quinn O’Brien zu bringen. »Ihre Feststellungen
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