Das Kastler-Manuskript - Ludlum, R: Kastler-Manuskript - THE CHANCELLOR MANUSCRIPT
der Page klopfte leise.
»Ja?« sagte die Stimme hinter der Tür.
»Nadel eins«, sagte der hochgewachsene Page mit leiser Stimme.
»Vier«, erwiderte die Stimme hinter der Tür.
»Elf.«
»Dreizehn.«
»Zehn.«
»Ende«, sagte der unsichtbare Mann. Ein Riegel wurde zurückgezogen, die Tür öffnete sich. O’Brien war im schwachen Licht eines komfortabel eingerichteten Wohnzimmers als Silhouette zu sehen. Er nickte dem Pagen zu und bedeutete Kastler einzutreten. Peter sah, wie er eine Pistole in ein Holster zurückschob.
»Wo ist sie?« fragte Peter sofort.
»Schsch.« Der FBI-Mann schloß die Tür und hielt den Finger an die Lippen. »Sie ist vor etwa zwanzig Minuten eingeschlafen. Vorher konnte sie nicht schlafen, sie hat sich solche Sorgen gemacht.«
»Wo ist sie?«
»Im Schlafzimmer. Keine Sorge. Die Fenster an der Wasserseite
sind elektronisch gesichert und haben Gitter und kugelsicheres Glas. Niemand kann an sie heran. Lassen Sie sie nur. Wir können jetzt miteinander sprechen.«
»Ich will sie sehen!«
O’Brien nickte. »Sicher. Nur zu. Aber seien Sie leise.«
Kastler öffnete die Tür einen Spalt breit. Eine Lampe war eingeschaltet. Alison lag auf dem Bett, mit einer Decke zugedeckt. Der Kopf war nach hinten gedreht, ihr Gesicht war vom Licht beschienen. Sie atmete tief. Sie hatte zwanzig Minuten geschlafen. Er würde sie nur noch kurze Zeit ruhen lassen. Was er jetzt tun mußte, geschah am besten dann, wenn Alison der Erschöpfung nahe war.
Er schloß die Tür. »Hier hinten ist eine Frühstücksnische«, sagte O’Brien.
Das Wohnzimmer war größer, als Peter zuerst wahrnahm. Am östlichen Ende, hinter einem gitterartig angeordneten Raumteil, stand ein runder Tisch vor einem Fenster, das den Blick aufs Wasser freigab. Peter konnte jetzt das Gitterwerk hinter dem Glas deutlich sehen. Und dann war da noch eine kleine Küche. Auf der Heizplatte stand Kaffee; O’Brien nahm zwei Tassen von einem Regal und füllte sie.
Peter setzte sich. »Nicht gerade ein gewöhnliches Motel, oder?«
O’Brien lächelte. »Aber ein gutes Restaurant. Die besseren Leute hier in der Gegend schwören darauf.«
»CIA-Eigentum?« «
»Könnte man sagen. Aber es gehört nicht der CIA, sondern der Marineabwehr.«
»Diese Männer draußen. Der Mann am Empfang, der Page. Was sind das für Leute?«
»Das hat Varak Ihnen doch gesagt. Wir sind nicht viele, aber wir wissen, wer wir sind. Wir helfen einander.« O’Brien trank aus seiner Tasse. »Tut mir leid, daß ich Sie mit Morgans Namen erschrecken mußte. Ich hatte einen Grund dafür.«
»Und was war das für ein Grund?«
»Sie und das Mädchen werden morgen hier weg sein. Aber Morgan wird noch eingetragen sein. Wenn jemand Ihre Spur aufnimmt, diese Spur den Betreffenden hierherführt, wird der Name Morgan im Hotelregister etwas bedeuten. Sie werden nach Zimmer 7 kommen. Dann wissen wir, wer sie sind.«
»Ich dachte, Sie wüßten, wer die Wahnsinnigen sind.« Peter trank seinen Kaffee und beobachtete O’Brien sorgfältig.
»Nur einige von ihnen«, erwiderte der Agent. »Wollen Sie jetzt reden?«
»Gleich.« Der Schmerz in seinem Schädel ließ nach, war aber noch nicht verflogen. Er brauchte ein paar Augenblicke; er wollte klar denken. »Danke, daß Sie sich um sie gekümmert haben.«
»Gern geschehen. Ich habe eine Nichte etwa in ihrem Alter — die Tochter meines Bruders. Die beiden ähneln sich sehr. Starke, gute Gesichter. Nicht bloß hübsch, verstehen Sie?«
»Ja, ich verstehe.« Der Schmerz war beinahe verflogen. »Was sollten denn diese Nummern an der Tür?«
Der FBI-Mann lächelte. »Abgedroschen, aber wirksam. So ziemlich das gleiche, was man immer in Spionageromanen liest: es geht um die Progression und das Timing. Darüber scheinen Sie und Ihre Schriftstellerkollegen nicht besonders gut informiert zu sein.«
»Was sollen diese Nummern?«
»Ein Basiscode mit einer Nummer. Wenn ich antworte, füge ich eine Nummer hinzu, und die Kontaktperson ist darauf gedrillt, diese Nummer mit einer anderen Ziffer in Verbindung zu bringen — plus oder minus. Er muß verdammt schnell antworten. «
»Und was geschieht, wenn er das nicht tut?«
»Sie haben ja gesehen, daß ich die Pistole bereit hatte. Ich habe sie noch nie so eingesetzt, aber ich hätte nicht gezögert. Ich hätte ihn durch die Tür erschossen.«
Kastler stellte die Kaffeetasse auf den Tisch. »Jetzt können wir reden.«
»Gut. Was ist geschehen?«
»Bromley ist mir im Zug gefolgt. Er
Weitere Kostenlose Bücher