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Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Titel: Das katholische Abenteuer - eine Provokation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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es die Leute.«
    Die Wohnung spricht darüber, er selbst spricht darüber – und mittlerweile spricht Hollywood darüber. Dort wird sein Leben gerade zum Drehbuch verarbeitet. Produzent und Komponist George Barrie, oscargekrönt für A Touch of Class, hat sich die Rechte gesichert. Der Film wird Martins-Passion heißen, mit viel Orgelgebrause unter den Palmen, denn Martins’ Karriere ist abwechselnd Triumphzug und Opfergang. Wahrscheinlich ist João Carlos Martins heute der am schlimmsten lädierte Pianist der Welt.
    Er hätte Grund zu hadern mit Gott, wie Hiob, der ihm das genommen hat, was ihm das Wichtigste war in seinem Leben. Die Fähigkeit, Bach zu spielen, diese Musik gewordenen Gebete, diese Frömmigkeit aus Tönen, und ihn so zu spielen, dass es den Allmächtigen rührt. Doch gleichzeitig hat er jeden Grund,
Gott zu danken, für Bach und für sein Talent und für seine Seelenstärke und seine Ausdauer, mit der er die erstaunliche Berg- und Talfahrt seines Lebens meistern konnte. Und von meistern kann man in seinem Fall mit Fug und Recht reden.
    Seine Karriere beginnt schon mal mit einem Schicksalsschlag. Mit einer Krankheit, mit einer Tumorbehandlung in der Kindheit. Da ist ein geöffneter Hals, aus dem es tropft. João Carlos Martins trägt einen hohen Kragen, und er zieht sich gern an sein Klavier zurück und übt, bis zu zehn Stunden am Tag. Die Jugendfotos zeigen einen Jungen, der gern lacht und mit seinen Brüdern Fußball spielt. Doch er ist auch das Wunderkind, dem Piano-Götter wie Alfred Cortot eine große Zukunft voraussagen. Mit acht, nach sechs Monaten Unterricht, gewinnt er seinen ersten Wettbewerb.
    Als Twen spielt er innerhalb von nur einer Woche vor Castro und vor Kennedy, und dann bringt er die Carnegie Hall zum Kochen. Das Publikum beider Welthälften liegt ihm zu Füßen in diesen frühen 60er Jahren. Er sieht aus wie Buddy Holly mit seiner schwarzen Hornbrille, und die Kritiker rühmen das »klarste, artikulierteste und lebendigste Klavierspiel, das je zu hören war«. Die komplette Einspielung des »Wohltemperierten Klaviers«, auf sieben Platten, wird zum Bestseller. Martins, Superstar: »Mir gelang alles.«
    Dann, 1966, kickt er im Central Park Fußball mit ein paar Jungs von der brasilianischen Nationalmannschaft. Er kann durchaus mithalten, er ist ein guter Techniker seit seiner Kindheit, doch da ist diese Rempelei, und er fällt so, dass sich ein Stein in seinen rechten Ellbogen bohrt. Der erste Sturz seines Pianisten-Lebens, und er kommt kaum wieder hoch. Spielen kann er, aber einstecken, das muss er noch trainieren. Nach einer langwierigen Rehabilitation kämpft er sich mühsam ein paar Konzerte ab, doch ohne es zu wissen, hat er die Handhaltung verändert und das entwickelt, was in der Fachliteratur »repetitive motion syndrome« heißt. Er hat die Kontrolle über die Finger verloren.

    »Zuerst merkst du es selbst, dann merken es die Kritiker, und schließlich merkt es das Publikum.« Nach einer durchwachsenen Kritik 1970 lässt er den Flügel aus der Wohnung entfernen und rührt kein Klavier mehr an. Sieben lange Jahre lang. Er ist Banker und Boxpromoter und Konzertveranstalter, er bringt Alice Cooper nach Brasilien, und er fühlt sich leer bei alldem, und seine Ehe zerbricht. »Der nächste Schritt wäre die Mafia gewesen und Drogen.«
    Da sieht er eines Nachts im Fernsehen einen Pianisten, den er mag. »Doch ich wusste, ich kann es besser.« So etwas nennt man wohl eine Wiedererweckung. Eine göttliche Intervention. João Carlos soll spielen. Und er soll allen anderen zeigen, wie man zur Ehre Gottes spielt. Bach! Martins entschließt sich noch im gleichen Moment für seine Rückkehr. Er übt zehn Stunden am Tag, und nach einem Jahr ruft er seinen Agenten an und sagt: »Reservier mir die Carnegie Hall.«
    Offenbar ist die mehrjährige Pause genau die richtige Therapie für den Arm gewesen – das »repetitive motion syndrome« ist abgeklungen. Und offenbar hat man Martins vermisst. Nur schrittweise kann sich das Taxi an jenem Oktoberabend 1979 die Fifth Avenue hinunterkämpfen. »Besser, Sie laufen«, sagt der Fahrer, »irgendein Verrückter tritt da auf, den alle sehen wollen.« Der Andrang auf Martins’ Comeback-Konzert ist so gewaltig, dass zusätzlich 300 Stühle auf die Bühne gestellt werden. Für Dick Strawser, den Chef des Klassiksenders WITF, gehört dieses Konzert zu den Sternstunden. Martins’ Carnegie-Konzert mit dem »Wohltemperierten Klavier«, das ist wie

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