Das katholische Abenteuer - eine Provokation
dann zu Sätzen wie diesem: »Mit einiger Genugtuung wurde auch berichtet, dass der Papst in Westminster Abbey die Hand
der Priesterin Jane Hedges schütteln wird. Die anglikanische Kirche erlaubt auch Frauen, das Priestergewand zu tragen – für Kommentatoren ein weiteres Zeichen, dass man auf der Insel in religiösen Fragen bereits weiter ist.« So, sehen Kommentatoren das so, dass die Insel weiter ist? Und wer noch mal ist das, der da mit Genugtuung berichtet?
Warum Frauen in Priesterkleidern ein Zeichen dafür sind, dass man in religiösen Fragen weiter ist, mag ein Rätsel der Bekleidungsindustrie bleiben, aber eines stand für die Berichterstatter schon vorher fest, dass nämlich »die ›Soho Masses‹ für homosexuelle Katholiken Teil der Protestbewegung gegen den Reaktionär aus Rom« bilden werden. Irgendwann wird der Reaktionär aus Rom doch mal aufgeben müssen!
Die unglaubliche Fixierung der säkularen Presse auf die Themen »Gleichberechtigung« und »gleichgeschlechtlicher Sex« zeigt, wie gleichgültig ihnen die Kirche letztlich ist. Eigentlich wollen sie alle immer über was ganz anderes reden als über die Sakramente oder die Evangelien.
Und dann sollten sie sich alle täuschen. Der Papst blieb bei seinen Grundsätzen. Er machte auch in England unmissverständlich klar, dass er gegen die Abtreibung sei, und rief zum Kampf gegen die Vulgarisierung des Lebens auf. Er redete nicht nach dem Munde. Und kam genau dadurch an. Die wenigen schrillen Protestierer verloren sich in Seitenstraßen seiner Triumph-Fahrt durch den Hyde Park. Die Queen scherzte mit Benedikt über das »kleines Auto«, in dem er gekommen war, er küsste Kinder, die Menge jubelte, und die Sun, die ihn einst als »Hitlerjungen« und »deutschen Panzer-Kardinal« tituliert hatte, nannte ihn jetzt fast zärtlich den »fizzy pope«, weil er nicht Tee, sondern Brause trank. Vor die Wahl gestellt, hätten die meisten Briten an diesem Tag wohl eher Christopher Hitchens festgenommen als seine Heiligkeit.
Der Papst gewann die Herzen im Sturm. Georg Gänswein, der Sekretär Benedikts, den ich einige Wochen später mit anderen Kollegen in Rom traf, bestätigte, dass der Englandbesuch
die Wende in der öffentlichen Wahrnehmung des katholischen Papstes gebracht hatte. Nicht unbedeutend in all dem war selbstverständlich der Anlass des Besuchs: die Seligsprechung von Kardinal Newman, der von der anglikanischen Staatskirche zum Katholizismus konvertiert war.
Kurz nach der Reise erwies sich erneut, dass auch dieser Papst ein großartiger Kommunikator ist. In dem langen Interview, das er dem Journalisten Peter Seewald gab, umreißt er in einfachen, aber tiefgehenden, auch tiefbesorgten Worten die Lage, in der sich die katholische Kirche befindet. Er kommt dabei ohne Monsterwörter wie »Erwartungshorizont« und »Dialogoffensive« aus. Er spricht vom Beten, von den Irrtümern der Moderne, aber auch von den eigenen. Offen, klar und ungeschminkt.
Die Medien stürzten sich vor allem auf die kurze Passage, die er zum Gebrauch von Kondomen ausführt, dabei ist das Buch wesentlich reicher. Und es erreicht die Leser: Das Licht der Welt schoss gleich nach Erscheinen an die Spitze der Bestsellerliste und belegte Platz 2 hinter dem Dauerbrenner von Thilo Sarrazin.
Der Jahrtausend-Papst
Papst Johannes Paul II., die katholische Naturgewalt. Bilanz eines Lebens, einer Epoche
Dass er jetzt seliggesprochen wurde in einem der schnellsten Verfahren der Neuzeit, verwundert nicht: Schon wenige Stunden nach seinem Tode im April 2005 riefen ja die Gläubigen auf dem Petersplatz: »Santo subito!« Mit ihm war eine Epoche der siegreichen Weltkirche zu Ende gegangen, und noch seine Agonie war ein Triumph.
Wie jeder Christ wusste Papst Johannes Paul II., dass der Tod nicht das Ende ist, sondern der Übergang zum ewigen Leben. Das heißt aber nicht, dass er es ihm einfach gemacht hätte. Und er ersparte der Welt nicht, Zeuge seines langen Abschieds zu werden. Er nahm das Leiden seiner späten Jahre an, und er zeigte einer alternden Gesellschaft, was Altern bedeutet. »Jesus«, sagte er, »ist auch nicht einfach vom Kreuze gestiegen.«
Karol Wojtyla, der Jahrtausend-Papst. Überhaupt nur ein Vorgänger in der ganzen Geschichte seit Petrus amtierte länger. Die meisten der 117 Kardinäle, die in den Tagen nach seinem Tod im Konklave zusammenkamen, waren von ihm ernannt. Viele seiner potentiellen Nachfolger hatte er in all den Jahren überlebt.
Wer sein
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