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Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe

Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe

Titel: Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Marie Milton
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aufwachen!“
    Sofort war Kimberley hellwach. Oh Gott, wie spät war es? Sie blickte in die Augen eines Fahrkartenkontrolleurs, der in Uniform vor ihr stand. Freundlich guckte er nicht gerade. Fragend schaute sie ihn an.
    „Deine Fahrkarte?“
    Sie zeigte ihm das Ticket und wich seinem prüfenden Blick aus.
    „Wieso bist du denn mitten in der Nacht allein unterwegs? Wissen deine Eltern Bescheid?“
    „Ja, klar. Die sind geschieden und ich wollte jetzt doch nicht bei meinem Vater schlafen. Darum fahre ich jetzt zu meiner Mutter.“
    „Komische Sitten sind das heute.“ Kopfschüttelnd zog der Mann ab. Glück gehabt! Es war also auch keine gute Idee, nachts durch die Stadt zu fahren. Bei einem Polizisten wäre sie bestimmt aufgeflogen. Bei der nächsten Haltestelle stieg sie aus und wagte sich auf die Straße. Sie hatte keine Ahnung, in welchem Stadtteil sie sich befand. Die City war bestimmt weit weg, denn sie sah nur Wohnhäuser, Büsche und parkende Autos. Ängstlich eilte sie an einer Mauer entlang und bog in einen Innenhof ein. Die Menschen hinter den Fenstern schliefen vermutlich alle, nur wenige Lichter brannten. Kurz nach drei – ob diese Nacht jemals endete?
    Kimberley sah eine Art Schuppen. Die Tür stand einen Spalt offen. Vielleicht konnte sie sich dort hinlegen. Vorsichtig betrat sie den dunklen Verschlag, in dem nur Gerümpel herumstand. Keine Matratze, kein Stuhl, nichts. Aber immerhin war es hier sicher und man konnte sich vor der Außenwelt schützen. Seit Stunden fühlte sie sich endlich mal wieder ein bisschen entspannter. Hier könnte sie zur Ruhe kommen und nachdenken, vor allem aber war sie allein – das fühlte sich vertraut an. Kimberley setzte sich auf den Boden und überlegte, in welcher Position sie am bequemsten liegen könnte. Ihr fiel ein, dass sie die Tür ein wenig verrammeln könnte, damit niemand einfach so hereinkam. Sie erhob sich, griff zur verrosteten Klinke und wollte die Tür zuziehen, als diese zur gleichen Zeit mit einem Ruck aufgerissen wurde. Vor Schreck schrie Kimberley kurz auf. Dieses ständige Hin und Her war ein Gefühl wie in der Achterbahn, in der sie vor einem Jahr mit Mama und Papa gewesen war. Mit dem Unterschied, dass da der Druck im Bauch toll gewesen war. Jetzt fand sie das gleiche Gefühl einfach nur schrecklich!
    Vor ihr stand ein älterer Junge, vielleicht achtzehn. Er trug einen blonden Zopf und schwarze Klamotten. In seiner linken Hand hielt er eine Bierflasche, mit rechts versperrte er den Weg nach draußen.
    „Was machst du hier?“, fragte er. Kimberley konnte nicht erkennen, ob der Typ sauer oder nur neugierig war. Aber dass er wie David Garrett aussah, fiel ihr gleich auf. Sie war auf der Stelle verliebt.
    „Entschuldige bitte, ich kann gleich wieder abhauen. Ich wollte nur gucken, ob man hier vielleicht schlafen kann.“
    „Hm.“
    „Wenn du willst, verschwinde ich. Ist das deine Hütte?“
    „Seh ich so aus? Nee. Ich penn hier auch manchmal. Du bist sonst aber nicht auf der Straße, oder? Abgehauen?“
    „Ja.“ Kimberleys Gesicht brannte vor Aufregung und Begeisterung. „Heute erst. Ich hab ein bisschen Schiss, ehrlich gesagt.“
    „Wie alt bist du denn? Du bist doch noch ein Kind!“
    „Dreizehn. Und du?“
    „Siebzehn. Ich bin immer unterwegs, mal hier, mal da.“
    Sie wusste nicht, was sie sagen sollte und wollte unbedingt älter wirken als sie war. Mutig fragte sie: „Wir könnten ja beide hier schlafen.“
    „Hm. Von mir aus. Aber ich spiel nicht den Babysitter. Überleg dir lieber, ob du wieder nach Hause gehst zu deiner Mami.“
    „Spinnst du? Ich find’s geil ohne Eltern. Außerdem brauche ich keinen Babysitter. Ich bin vielleicht jung, aber nicht blöd.“
    „Aha. Na ja, dann verkrümel dich da hinten in die Ecke, ich lieg immer neben der Tür. Nacht.“
    Zaghaft tapste Kimberley in den Schuppen, tastete sich mit den Händen voran und ließ sich dann mit dem Rücken zur Wand zu Boden gleiten. Die Müdigkeit überfiel sie mit einem Schlag. Jetzt ein Bett, das wäre ein Traum. Den Jungen konnte sie kaum erkennen, so dunkel war es. Obwohl sie Angst hatte, legte sie sich auf die Seite und winkelte die Beine an. Zwischen Oberschenkel und Bauch klemmte sie den Rucksack.
    „Wie heißt du eigentlich?“, fragte er.
    „Julia. Und du?“ Das Lügen fiel ihr dieses Mal richtig leicht.
    „Heino. Nun halt mal die Klappe endlich. Zuviel Gequatsche ist unnötig.“
    Heino. Wollte der sie verarschen? Aber eigentlich war es auch egal.

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