Das Keltenkreuz
normalerweise.«
Es konnte alles stimmen. Aber ich war mißtrauisch. Dieser Abt saß lächelnd vor mir, und er kam mir vor, als wäre sein Körper von einem besonderen Panzer umgeben, den ich leider so schnell nicht aufbrechen konnte. Dieser Abt wußte sehr genau, was er wollte, er spielte mir etwas vor, und er hatte mich ins Schwitzen gebracht.
Schwitzen?
So warm war es nicht. Trotzdem strömte mir der Schweiß aus allen Poren. Ich starrte ihn an. Ich sah sein Gesicht, vor allen Dingen auch die Augen, aber in ihnen zeichneten sich keine Kreuze ab. Sie blieben normal, wenn sie mir auch lauernd vorkamen, ebenso wie der Mund, der lächelte, dabei immer breiter wurde, noch mehr lächelte, noch mehr und noch mehr.
Verdammt, was war das nur?
Das Gesicht des Mannes bestand plötzlich aus einer Gummimasse. Es zog sich in die Breite, und ich sah auch, wie der Abt seine Hand über den Tisch schob, einen Finger dabei ausgestreckt hatte. Die Spitze berührte die Flasche mit dem Likör.
Ein Zeichen!
Gift!
Verdammt, das Zeug war vergiftet worden. Mit einer Droge versehen, die mich kirre machte.
In meiner Nähe keuchte jemand schrecklich laut. Erst Sekunden später stellte ich fest, daß ich dieses Keuchen abgab. Mir ging es verdammt schlecht. Ich kriegte kaum Luft. Dafür verzerrte sich die Gestalt des Abts immer mehr. Sie floß auseinander, dann wieder zusammen, drückte sich in die Höhe und bildete Gestalten, wie sie sich selbst ein abstrakter Maler kaum ausdenken konnte.
Ich gab noch nicht auf, obwohl das Gift in meinem Körper tobte und das Blut hatte zu einer heißen Flüssigkeit werden lassen, die mir gleichzeitig die Kraft nehmen wollte.
Meine Hände lagen auf der Tischkante. Ich wollte sie benutzen, um mich abzustoßen. In mir war der Wunsch hochgepeitscht, dem Abt an die Kehle zu gehen.
Ich kam auch hoch, und das glich schon wieder einem kleinen Wunder.
Ich stand, drückte die Knie durch – und merkte, daß meine Beine urplötzlich nachgaben.
Wieder fiel ich zusammen und hatte Glück, daß direkt hinter mir der Stuhl stand. So landete ich auf der Sitzfläche und nicht auf dem Boden.
Es war das letzte, was ich spürte, bevor die verdammte Schwärze alles verschluckte…
***
Blei auf den Augen. Blei in der Blutbahn. Blei auf der Brust, den Armen und den Beinen.
Es war schrecklich. Ich lag irgendwo eingepackt in eine tiefe Finsternis und kam mir nach meinem Erwachen doppelt so schwer vor. Ich wußte gar nichts. Es leuchtete nicht ein Lichtfunke in meiner Umgebung. Die Dunkelheit war absolut, und sie war aufgeladen mit einer Feuchtigkeit, die meine Kleidung hatte klamm werden lassen.
Bevor ich mich auf den widerlichen Geschmack in meinem Mund konzentrieren konnte, sackte ich abermals weg und fiel wieder in den Bereich der Bewußtlosigkeit.
Das zweite Erwachen glich dem ersten, daran konnte ich mich erinnern.
Ich merkte auch, daß ich fror, da die Kälte von allen Seiten her in meinen Körper hineingekrochen war. Noch immer war die Schwere in mir nicht verschwunden, aber mir ging es besser als beim ersten Mal, denn ich konnte mich bewegen, wenn auch mühsam.
So hob ich meinen rechten Arm an.
Es klappte, aber er fiel sehr schnell wieder zurück. Ich winkelte ihn dabei an, so daß er auf meinem eigenen Körper landete.
Was tun?
Liegenbleiben. Einfach versuchen, etwas Erholung zu finden. Ich war umgehauen worden, aber nicht durch einen Schlag gegen den Kopf, sondern durch den verdammten Likör. In ihn mußte der Abt die K.-o.-Tropfen gemischt haben.
Nur bei mir?
Auf einmal erinnerte ich mich daran, daß noch jemand mit mir zusammen auf die Insel gekommen war. Vivian Cameron!
Was war mit ihr geschehen? Sie hatte schließlich das gleiche Zeug getrunken wie ich. War sie auch ausgeschaltet worden? Und welches Spiel trieb der Abt Martin?
Ich dachte an die sechs verschwundenen Männer. Jetzt konnte ich mir vorstellen, wie man sie aus dem Weg geschafft hatte. Zumindest war es eine Möglichkeit, aber es hatte keinen Sinn, sich darüber Gedanken zu machen. Ich mußte mich um mich selbst kümmern. Da gab es genug Probleme.
Noch lag ich auf dem Rücken. Der Atem drang nur schwach über meine Lippen. Durch die Nase atmete ich ein, durch den Mund aus. Dabei stieß ich die warme Luft hinein in die feuchte Kälte. Sie ließ darauf schließen, daß man mich in einem Keller oder Verlies gefangenhielt.
Meine Gedanken hatte ich sammeln können. Aber der Kopf schmerzte mir trotzdem, denn ich hatte den Eindruck, als
Weitere Kostenlose Bücher