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Das Kind, das tötet: Roman (German Edition)

Das Kind, das tötet: Roman (German Edition)

Titel: Das Kind, das tötet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Lelic
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herauszufinden. Andererseits wussten sie es beide schon.
    Sie hatten Ellie den Mantel ausgezogen, genau wie man Felicity ihren ausgezogen hatte. Die Tinte: Das war Felicitys Blut. Sie hätten auch eine Lichterkette ins Spiel bringen können, wenn sie eine gefunden hätten. Sie hätten ihr drohen können, sie in den Fluss zu zerren.
    »Ich rede mit der Schule«, sagte Leo. Er warf einen kurzen Blick zu Megan, die neben ihm auf dem Sofa saß und mit starrem Blick auf den schwarzen Fernsehbildschirm sah. »Mit ihrer Lehrerin. Der Direktorin. Gleich morgen früh als Erstes.« Auch wenn er sich, schon während er das aussprach, fragte, wo er die Zeit dafür hernehmen sollte. Nach den Ausschreitungen hatte Daniel seine Geschichte noch einmal anders erzählt und zugegeben, was alle anderen bereits wussten. Nun musste also das Geständnis aufgenommen werden, es musste über die weitere Untersuchungshaft entschieden und mit den Eltern des Jungen gesprochen werden, denn jetzt ging alles so rasend schnell, dass Leo noch gar nicht dazu gekommen war …
    »Gleich morgen früh«, sagte Leo. Megan schniefte und fingerte an ihrem Taschentuch herum; sie schien von seinem innerlichen Schwanken nichts mitbekommen zu haben.
    Leo rutschte ein Stück näher an sie heran und wollte ihr einen Arm um die Schulter legen. »Das sind eben Kinder. Du weißt doch, wie grausam Kinder sein können.«
    Seine Frau rückte von ihm ab.
    »Meg? Was ist los?«
    Sie zögerte. »Ich bin angespuckt worden«, sagte sie schließlich.
    »Was?«
    »Wir. Ellie und ich. Gestern, im Supermarkt. Ich wollte dir eigentlich nichts davon erzählen, aber nach der Sache heute …« Ihre Stimme wirkte auf einmal kühler.
    »Angespuckt? Von wem?«
    »Von einer Frau. Einer Mutter. In meinem Alter, etwas jünger. Sie hatte einen Einkaufswagen und zwei Kinder dabei, und als sie an mir vorbeigegangen ist, hat sie sich umgedreht und gespuckt.«
    »Was? Bist du dir sicher?«
    »Ja, ich bin mir sicher, Leo. Ganz sicher, hundertprozentig.«
    »Nein. Ich weiß. Ich meinte bloß, warum denn? Hast du irgendwas zu ihr gesagt oder …«
    »Es war nicht meine Schuld!«
    »Beruhige dich, Meg. Das sage ich ja gar nicht. Ich versuche bloß zu verstehen, was passiert ist.« Er schüttelte den Kopf. »Warum in aller Welt sollte dich jemand bespucken? Willst du damit sagen … Meinst du, es war wegen dem Fall?«
    »Ja, der Gedanke ist mir schon gekommen.«
    »Aber warum denn?«, fragte Leo noch einmal. »Woher wusste sie überhaupt, wer du bist?«
    »Woher? Dein Geheimnis ist raus, Leo. Du bist jetzt eine große Nummer in einer kleinen Stadt. Nein.« Sie korrigierte sich: »Du bist eine kleine Nummer in einer noch kleineren Stadt voller noch kleingeistigerer Leute. Daher, Leo. Daher wusste sie es.«
    Megan drehte sich um und sah ihn an. Sie nahm seine Hand. »Der Punkt ist: Es sind nicht bloß Kinder. Was mir da heute im Supermarkt passiert ist, das sind nicht bloß Kinder.«
    Leo sah zu Boden, ertrug Megans traurigen Blick nicht länger.

7
    W as gab es dazu noch zu sagen? Die ganze Angelegenheit, sie war äußerst bedauerlich. Stand vollkommen im Kontrast zum Schulethos, und ein solches Verhalten werde, wie Ellies Schulleiterin ihm versicherte, auf keinen Fall geduldet. Man werde die Missetäter ausfindig machen und bestrafen. Mr. Curtice verstehe sicher, vor allem angesichts seines Berufs, dass es im Moment noch schwer zu sagen sei, auf welche Weise, aber die Schule – sie persönlich – werde Eleanor nicht im Stich lassen. Es wäre natürlich hilfreich, wenn man Ellie dazu bewegen könnte, mehr preiszugeben – Namen zu nennen. Aber nein, ja, selbstverständlich, es muss unheimlich schwierig sein für das arme Kind, und ja, Sie haben ganz recht, es liegt natürlich in der Verantwortung der Schule, der Sache auf den Grund zu gehen, Sie sagen es. Und das wird die Schule tun. Aber selbstver ständlich.
    Ms. Bridgwater war eine schmächtige Frau im Kostüm, mit zu viel Parfüm und dickem Make-up. Sie hatte Leos Zorn mit der Routine einer Politikerin an sich abperlen lassen. Leo, auf einen Kampf über zwölf Runden eingestellt, hatte seine Gegnerin mit einem einzigen Schlag niedergestreckt – und war nun so benommen, als hätte er verloren.
    »Nun gut«, sagte er. Er drückte die Wirbelsäule durch und nickte knapp. »Gut. Ich weiß Ihr Entgegenkommen zu schätzen. Und ich entschuldige mich, falls ich vorhin vielleicht ein wenig …«, er ließ die Hand in der Luft kreisen,

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