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Das Kind, das tötet: Roman (German Edition)

Das Kind, das tötet: Roman (German Edition)

Titel: Das Kind, das tötet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Lelic
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Blake-Akten?«, fragte Terry, während er sein Jackett auszog.
    Leo sah Alan an, aber Alan wich seinem Blick schnell aus.
    »Die liegen auf meinem Schreibtisch, Leo.« Terry legte sein Jackett über den Arm und strich es glatt. »Der größte Teil jedenfalls. Den Rest hat Howard.« Seine Stimme war freundlich – eine Spur zu freundlich.
    »Verstehe«, sagte Leo. »Kann ich sie zurückhaben?«
    Das muss ein Witz sein, dachte Terry offenbar, ein Witz, dessen Pointe er nicht verstand. »Zurückhaben?« Mit einem halben Lachen wandte er sich zu Alan. »Was willst du denn damit?«
    Leo erwiderte Terrys Lächeln nicht. »Es sind doch meine Akten. Mein Fall.«
    »Aber du bist … Du warst ja nicht …«
    »Ich war vierzehn Tage weg. Nicht einmal ganz vierzehn Tage. Und die Anklageverlesung ist erst am Freitag.«
    »Ja. Aber Leo, ich …«
    »Ich sehe keinen Grund, warum ich meine Verantwortung abgeben sollte. Ich kenne den Fall, ich bin auf dem Laufenden. Oder gab es irgendwelche Entwicklungen, von denen ich noch nichts weiß?«
    »Na ja, eigentlich …« Terry schüttelte den Kopf, so als wollte er ihn frei bekommen. »Was hast du hier zu suchen, Leo? Ich meine, diese Sache mit deiner Tochter … Müsstest du jetzt nicht …«
    »Was? Müsste ich jetzt nicht was?«
    Terry schüttelte noch einmal den Kopf. »Keine Ahnung.« Er deutete zur Tür, auf die Straße, dann wandte er sich ihm wieder zu und streckte ihm die erhobene Handfläche entgegen.
    »Du meinst, ich müsste da draußen sein, ja?«, fragte Leo. »In den Mülltonnen nachsehen? In der Gosse? Meinst du etwa, ich hab die letzten zwei Wochen auf meinem Arsch gesessen und den ganzen Tag Soaps geguckt?«
    »Nein. Natürlich nicht. Ich wollte dich nicht …«
    »Ich habe nicht vergessen, was mit meiner Tochter passiert ist, Terry. Ich bin nicht hier, weil ich heute Morgen aufgewacht bin und mir dachte, ach, das wird sich schon alles regeln, da kann ich genauso gut ins Büro fahren.«
    »Sieh mal, Leo, ich …«
    »Ich brauche nicht daran erinnert zu werden. Verstanden? Nicht jede Sekunde. Nicht in jedem verdammten Gespräch mit irgendjemandem.«
    »Bitte, Leo. Hör mich doch einfach mal …«
    »Und jetzt gib mir die Akten, Terry. Meine Akten. Daniel ist mein Mandant, ich bin für ihn verantwortlich. Ich werde ihn nicht einfach vergessen. Nicht jetzt. Schon gar nicht jetzt. Wo Ellie …« Leos Stimme versagte. Was auch immer er hatte sagen wollen, er konnte es nicht.
    Das Telefon klingelte. Niemand nahm ab.
    Irgendjemand hustete, und Leo bekam sich wieder unter Kontrolle.
    »Terry. Kann ich jetzt die Akten haben? Bitte.«
    Terry fuhr sich mit der Zunge über die Oberlippe. »Tut mir leid, Leo. Die kann ich dir nicht geben.« Er verschränkte die Arme – ganz langsam, so als wollte er das Feindselige dieser Geste abmildern.
    Leo wusste genau, dass alle Augen auf ihm ruhten und das ganze Büro gespannt auf seine Reaktion wartete. Er trommelte mit den Fingerspitzen auf seinen Oberschenkel. »Sie liegen auf deinem Schreibtisch, hast du doch gesagt, oder?« Er wollte sich umdrehen. »Dann muss ich sie mir vielleicht einfach …«
    Terry packte Leo am Arm. Obwohl seine Hände genauso klein waren wie sein restlicher Körper, hielten ihn seine kurzen Finger fest wie eine Schraubzwinge.
    »Leo. Halt. Rede mit Howard. Okay? Wir gehen jetzt zusammen zu Howard und besprechen das mit ihm.«
    Leo sah Terrys Hand an seinem Arm an und riss mit einem Ruck seinen Ärmel los.
    Er ging voran.

    »Hören Sie, Howard. Bevor Leo irgendetwas sagt, sollte ich Ihnen vielleicht erzählen, dass …«
    Ihr Chef saß an seinem Schreibtisch. Jenny stand hinter ihm und blickte konzentriert auf dasselbe Schriftstück wie er. Terry war, ohne anzuklopfen, hereingeplatzt, aber Howards erstaunter Blick, als er Leo sah, ließ ihn verstummen.
    »Leonard«, sagte Howard.
    »Howard, hören Sie, ich …«
    Howard hob den Finger. »Was machen Sie denn hier? Was ist mit Ihrer … Sollten Sie nicht …«
    »Haben sie sie gefunden, Leo?«, fragte Jenny. »Ist er geschnappt worden?«
    Leo, der in der Tür stand, sah Jenny an, und sein Blick blieb an ihr haften. Die Ähnlichkeit war ihm zuvor noch nie aufgefallen. Sie war blond, wie seine Tochter, und sie hatte genauso viele Sommersprossen. Sie war etwas größer und natürlich älter, aber genauso könnte Ellie als, sagen wir, Erstsemesterstudentin aussehen. Die Ellie, die er nie mehr zu sehen bekommen würde.
    Er suchte etwas zum

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