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Das Kind der Rache

Das Kind der Rache

Titel: Das Kind der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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zielte und drückte ab. Der Schuß explodierte in der Stille
des Nachmittags wie eine blutige Rose.
Das Gesicht der Gringa wurde zerfetzt, die Wand hinter der
Frau färbte sich rot. Er sah, wie sie in die Knie ging, so, wie
seine Mutter bei den Schüssen der Americanos in die Knie
gegangen war. Ihre Tochter stieß einen Schrei des Entsetzens
aus, dann begann sie zu schluchzen.
Als Alex den zweiten Schuß abgab, spürte er den innigen
Wunsch, alles auf der Hazienda möge wieder so sein, wie es
damals gewesen war. Er stand auf und sah zu, wie das Blut der
beiden Gringas sich mit dem Staub des Hofes vermengte.
    Jose Carillo war in den Hacienda Drive eingebogen. Er saß am
Steuer seines klapprigen Lieferwagens und warf einen
prüfenden Blick auf die Steigung, die der Wagen bewältigen
mußte. Hoffentlich hielt der Motor das überhaupt durch.
Ärgerlich, wenn das Fahrzeug noch vor Beginn der Arbeiten
auf der Hazienda den Geist aufgeben würde. Es war ein
gutbezahlter Job, den Jose an Land gezogen hatte. Mit dem
Verdienst, den er im Verlauf der Arbeiten einstreichen würde,
konnte er sich einen neuen Lieferwagen leisten. Jetzt aber war
die Hauptsache, daß er nicht zu spät kam. Wenn er seinen
Auftraggeber gleich am ersten Tag warten ließ, bestand die
Gefahr, daß ihm der Job wieder entzogen wurde. Entschlossen
trat er das Gaspedal durch. Motor und Getriebe reagierten mit
einem empörten Ächzen, dann konnte Jose spüren, wie der
Wagen beschleunigte.
    Er hatte zwei Kurven durchfahren, als er den jungen Mann
bemerkte, der mit einem Gewehr in der Hand die Straße
herunterkam. Gesicht und Hemd waren blutverschmiert. Jose
brachte seinen Wagen zum Stehen. Er beugte sich aus dem
Fenster. »He!« Der Junge schien ihn nicht zu hören. Erst als er
zum zweitenmal angerufen wurde, hob er den Blick.
»Hast du dich verletzt?« fragte Jose. »Brauchst du Hilfe?«
    Der Junge starrte ihn ein paar Sekunden an, dann schüttelte
er den Kopf und setzte seinen Weg bergab fort. Jose konnte
sehen, wie er das Gartentor zu einem der Wohngrundstücke
öffnete und in der Lücke verschwand. Es war ein Grundstück,
das Jose aufgefallen war, als er vor ein paar Sekunden daran
vorbeifuhr. Mit dem geschulten Blick des Gärtners hatte er die
abgeschnittenen Reben bemerkt, die in der Einfahrt lagen. Er
setzte seine Fahrt fort.
    Er hatte den Hof der Hazienda durchquert, als er die beiden
blutüberströmten Leichen bemerkte, die im Schatten der
Umfriedungsmauer lagen.
    »Jesus, Jose y Maria«, entfuhr es ihm. Er bekreuzigte sich,
bezwang die aufkommende Übelkeit und lief in das Haus, um
die Polizei anzurufen.
    Alex war in seinem Zimmer. Er betrachtete sich im Spiegel.
Blut rann aus der Verletzung an der Augenbraue.
Er hatte das Magazin des Gewehrs geprüft und festgestellt,
daß er drei Schüsse abgegeben hatte.
Jetzt blieben ihm noch zwei Patronen.
Obwohl er keine richtige Erinnerung an das Geschehene
hatte, wußte er, an welchem Ort er sich befunden hatte, als die
Stimmen zu ihm sprachen. Er wußte auch, wo er gewesen war,
als alles zu Ende ging.
Begonnen hatte es auf dem Hügel. Er hatte auf der Anhöhe
gestanden, die sich hinter der Hazienda erhob. Er hatte sich an
die Geschichten erinnert, die ihm Maria Torres erzählt hatte.
Geschichten, die in eine ferne Vergangenheit wiesen.
Als es zu Ende war, hatte er die Hazienda verlassen. Der
Gestank des Pulvers erfüllte den Hof. Er hatte gewußt, daß er
verletzt war, aber er hatte keine Schmerzen gespürt.
Keine Schmerzen, keine Gefühle, nichts.
Er war sicher, daß er heute nacht davon träumen würde. Der
Spiegel des Schlafes würde ihm zeigen, was er getan hatte. Erst
dann würde er den Schmerz fühlen, tief in seiner Seele.
Es war das letzte Mal, daß er das Spiegelbild seiner
Handlungen erdulden mußte. Er wußte jetzt, warum alles so
gekommen war. Er wußte auch, wie er einen Schlußpunkt
hinter die Ereignisse setzen konnte.
Es war klar, daß er, Alex, mit dem Ganzen nichts zu tun
hatte.
Alejandro de Melendez y Ruiz hatte die Schüsse abgegeben,
nicht er. Deshalb mußte Alejandro getötet werden.
Er zog sich ein frisches Hemd an. Die Wunde an der
Augenbraue ließ er unversorgt.
Er ergriff das Gewehr, ging ins Erdgeschoß des Elternhauses
hinunter und holte sich den Zweitschlüssel zum Auto seiner
Mutter. Er wußte, daß sie den Schlüssel in der Schublade des
Küchentisches aufbewahrte.
Er ging vor das Haus, setzte sich in den Wagen und startete

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