Das Kind der Rache
hier
geschehen wird, wenn Alex nach Hause kommt. Es ist besser,
wir sind allein mit ihm. Übrigens brauchst du dir keine Sorgen
zu machen.« Er deutete nach draußen, wo der Wagen mit den
beiden Polizeibeamten zu erkennen war. »Wir werden gut
bewacht.«
»Okay. Wenn du mich brauchst, ruf mich an. Versprochen?«
»Versprochen.« Und dann hatte Marsh ohne ein weiteres
Wort die Haustür ins Schloß gezogen.
Jim Cochran durchquerte den Garten. Bevor er seinen
Wagen bestieg, winkte er den beiden Polizeibeamten zu. Einer
winkte zurück. Jim ließ den Wagen an, legte den Gang ein und
machte sich auf den Heimweg.
Er war vielleicht hundert Meter gefahren, als ihm ein Auto
entgegenkam. Es war so dunkel auf der Straße, daß er Alex
Lonsdale, der hinter dem Steuer saß, nicht erkannte.
Alex parkte, bevor das Haus in Sicht kam. Er war sicher, daß
seine Eltern Polizeischutz bekommen hatten. Bevor er den
Wagen verließ, prüfte er das Magazin der Waffe.
Er hatte nur noch eine Kugel.
Aber eine Kugel reichte.
Er stieg aus und schlug sich in die Büsche. Er würde versuchen, den Hintereingang des Hauses zu erreichen, der
vermutlich nicht bewacht wurde. Während er auf die
mondbeschienene Tür zuschlich, kehrten die Erinnerungen
zurück. Das Haus sah jetzt so aus, wie es vor vielen, vielen
Jahren ausgesehen hatte. Auch die Stimmen waren wieder da.
Alejandro sprach zu ihm.
Er war an der Gartenmauer angekommen und schwang sich
über das Hindernis.
Er huschte durch den Hof.
Und dann stand er vor der Tür.
Er drehte am Knopf, die Tür schwang auf. Sein Blick fiel auf
seinen Vater, der im Wohnzimmer stand.
Es ist nicht mein Vater.
Es ist Alex Lonsdales Vater.
Alex Lonsdale ist tot.
Aber Ellen Lonsdale lebt noch.
»Venganza... venganza...«
Alejandro de Melendez y Ruiz war tot, und auch Raymond
Torres war tot.
Und trotzdem lebten sie. Sie lebten in Alex' Körper.
»Alex?« sagte Marsh.
Der Junge vernahm das Wort, aber er verstand es nicht. Das
war nicht sein Name.
»Ich bin nicht Alex«, flüsterte er. »Ich bin jemand anderer.«
Er betrat das Wohnzimmer. Er richtete das Gewehr auf Alex'
Mutter. Die vierte Frau.
Sergeant Finnerty war aufgewacht, weil eine Stelle hinter
seinem Ohr juckte. »War was?« fragte er seinen Kollegen.
»Nichts«, sagte Jackson. »Jim Cochran hat das Ehepaar
besucht, er ist vor ein paar Minuten wieder weggefahren.
Seitdem hat sich nichts getan.«
»Merkwürdig«, sagte Finnerty. »Es gibt immer einen Grund,
weshalb ich aufwache. Diesmal weiß ich nicht, was es ist.«
Jackson warf einen prüfenden Blick nach draußen, dann ließ er
sich auf seinen Sitz zurücksinken und steckte sich eine
Zigarette an.
Die Worte seines Kollegen gingen ihm durch den Kopf.
Warum war Finnerty aufgewacht? Jackson wußte, daß dieser
Mann einen sechsten Sinn für drohende Gefahren hatte.
Und dann fiel es ihm ein.
Vor ein paar Minuten hatte er am Ende der Straße einen
Lichtschein bemerkt. Es hatte ausgesehen wie ein Auto, das die
Steigung hinauffuhr. Bevor das Fahrzeug die Kurve erreichte,
waren die Scheinwerfer erloschen. Jackson hatte angenommen,
daß es sich um einen Nachbarn handelte, der zu später Stunde
heimgekehrt war.
»Verdammt!« sagte er laut. Und dann erklärte er Finnerty die
Sache mit dem Auto, dessen Scheinwerfer erloschen waren,
bevor das Fahrzeug richtig zu sehen war.
Finnerty klinkte die Wagentür auf. »Komm, wir gehen
nachsehen.«
Die beiden Polizeibeamten stiegen aus und gingen auf das
Haus der Familie Lonsdale zu.
Ellens Augen umfingen Alex wie einen Traum. Das Bild, das
sie sah, schien aus Mosaiksteinen zusammengesetzt.
Sie bemerkte die tiefe Wunde auf seiner Stirn.
Seine Augen waren kalt und unbeweglich wie die eines
Reptils.
Dann vermeinte sie in seinem Gesicht den Widerschein von
Haß zu erkennen.
Das Gewehr. Die schwarze Höhle der Mündung.
In diesem Augenblick begriff Ellen Lonsdale, daß der Junge,
der ihr gegenüberstand, nicht ihr Sohn war.
Sie verstand, daß er gekommen war, um sie zu töten.
»Warum?« fragte sie.
Plötzlich war die Stimme ihres Mannes zu hören. »Was ist
mit dir, Alex? Was ist passiert?«
»Venganza«, flüsterte Alex. »Rache.«
»Rache wofür?« fragte Marsh.
»Ladrones... asesinos...«
»Du irrst dich, Alex«, sagte Marsh leise. »Wir sind nicht die,
für die du uns hältst.«
Wo, zum Teufel, blieben die Polizisten? Und dann flog die
Haustür auf. Finnerty und Jackson kamen ins Wohnzimmer
gestürzt.
Als Alex den Kopf
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