Das Kind der Rache
Barbara.«
Barbara Fannon vom Medical Center. Der Klang ihrer
Stimme verriet Ellen, daß etwas passiert war. »Was ist los?«
flüsterte sie ins Telefon.
Barbaras Stimme blieb professionell kühl. »Kann ich bitte
Ihren Mann sprechen?«
»Sagen Sie mir erst, was passiert ist«, verlangte Ellen. Dann
fiel ihr ein, daß ihr Mann in dieser Nacht telefonische
Dienstbereitschaft hatte. »Es tut mir leid«, sagte sie. »Einen
Augenblick, Barbara. Ich hole ihn.«
Sie legte den Hörer neben den Apparat und ging in den Flur
hinaus. Sie erschrak, als sie Marsh auf der Schwelle des
Schlafzimmers stehen sah.
»Ich habe das Telefon läuten hören. Was ist passiert?«
»Das Krankenhaus will dich sprechen«, sagte Ellen atemlos.
Marsh war plötzlich hellwach. Er durchquerte den Raum und
ergriff den Hörer. »Hier Dr. Lonsdale.«
»Hier spricht Barbara. Ich rufe Sie aus der Notaufnahme an.
Es tut mir leid, daß ich Sie mitten in der Nacht stören muß,
aber es hat einen Autounfall gegeben. Wir wissen noch nicht,
wie schwer die Verletzungen des Fahrers sind. Weil Sie
Dienstbereitschaft haben...«
»Es ist völlig richtig, daß Sie mich anrufen. Weiß man
überhaupt Näheres über den Unfall?«
»Nur, daß es sich um den Fahrer eines Wagens handelt, der
von der Straße abgekommen ist. Es ist möglich, daß sich noch
mehr Leute im Wagen befanden...«
»Vielleicht ist es am besten, wenn ich direkt zur Unfallstelle
fahre.«
Zögern am anderen Ende. Und dann: »Es sind Sanitäter in
dem Krankenwagen, Herr Doktor...«
Marsh verzog das Gesicht. Seit fünf Jahren fuhren in den
Krankenwagen medizinisch-technische Assistenten mit, die für
Unfallhilfe ausgebildet waren, und er hatte immer noch
Schwierigkeiten, die Tatsache zu akzeptieren, daß diese
Männer auf die besonderen Gegebenheiten eines Unfalls besser
vorbereitet waren als er, der Arzt. »Ich habe Sie schon
verstanden, Barbara. Ich bin in ein paar Minuten im
Krankenhaus.« Er legte auf und wandte sich zu Ellen.
»Es ist Alex, oder?« kam ihre ängstliche Frage.
»Alex«, wiederholte er. Er war wütend. Wie kam Ellen auf
die verrückte Idee, daß dieser Unfall etwas mit Alex zu tun
hatte? »Warum meinst du, daß Alex etwas passiert ist?«
»Ich habe so ein Gefühl.«
»Niemand weiß zum jetzigen Zeitpunkt, wie der Verletzte
heißt«, gab Marsh zu Antwort. »Es ist ein Autounfall, aber das
bedeutet nicht, daß es Alex ist.«
»Wenn es sich bei dem Verletzten nicht um unseren Sohn
handelt, warum haben sie dich dann gerufen? Es ist doch ein
diensthabender Arzt im Krankenhaus, oder?«
Marsh nickte. »Aber das Personal in der Notaufnahme weiß
noch nicht, ob es nur einen einzigen Verletzten bei diesem
Unfall gibt oder vielleicht mehr. Es könnte sein, daß sie mich
brauchen.« Er machte sich von ihr frei, aber Ellen folgte ihm
bis ins Schlafzimmer, wo er sich anzog.
»Ich fahre mit dir«, sagte sie.
»Ellen, dazu besteht kein Grund.«
»Es gibt einen Grund«, protestierte sie. »Ich habe das
Gefühl, daß...«
»Gefühle...«, sagte Marsh, und Ellen zuckte zusammen, weil
er es in so abfälligem Ton sagte. Er merkte sofort, daß er sie
verletzt hatte, und legte ihr den Arm um die Schulter. »Bitte,
Liebling, denk doch einmal nach. Es passieren Autounfälle zu
jeder Tages- und Nachtzeit. Die Möglichkeit, daß unser Sohn
in diesen Unfall verwickelt ist, ist kleiner als ein Treffer in der
Lotterie.« Er strich ihr über die Schläfen. »In keinem Fall
möchte ich, daß du mit in die Klinik fährst. Ich kann nicht
konzentriert arbeiten, wenn ich mich nebenbei auch noch um
dich kümmern muß.«
Ellen wußte, daß er recht hatte. »Sei mir nicht böse«,
flüsterte sie. »Es ist nur... Vergiß es. Du mußt jetzt fahren.«
Marsh belohnte sie mit einem Lächeln. »So gefällst du mir
schon besser.«
Sie gab ihm Autoschlüssel und Brieftasche, die auf der
Kommode lagen. »Ruf mich an, sobald du dort bist«, sagte sie
leise. »Ich möchte Gewißheit haben, daß es nicht Alex ist.«
Er dachte nach. »Wenn ich nicht selbst anrufe, dann Barbara.
Mach dir keine Sorgen. In einer Stunde bin ich wieder zu
Hause, Alex wird inzwischen längst heimgekehrt sein.«
Er verließ das Haus. Ellen ließ sich auf das Sofa sinken. Das
Warten ging weiter.
»Sieht schlimm aus«, sagte Sergeant Roscoe Finnerty, als der
Suchscheinwerfer seines Streifenwagens auf das Autowrack
fiel. »Merkwürdig, daß der Wagen bei dem Aufprall nicht in
Flammen aufgegangen ist.« Er
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