Das Kind der Rache
September«, sagte Marsh. »Die letzte Eintragung, die aus dem Computer ersichtlich ist, stammt vom
April.«
»Das ist mir unerklärlich«, sagte Barbara. »Alles, was mit
einem Patienten geschieht, wird spätestens nach drei Stunden
in den Speicher eingetippt. Lassen Sie mich einmal sehen.« Sie
beugte sich über seine Schulter und drückte auf eine Taste.
Nichts geschah.
»Sehen Sie?« sagte Marsh.
»Das kann alle möglichen Ursachen haben«, sagte Barbara.
»Und nun würde ich vorschlagen, daß Sie in Ihr Büro
verschwinden und sich um die Verwaltung dieser
wunderschönen Klinik kümmern. Ich werde in der Zwischenzeit feststellen, wo sich Alex' Daten verstecken. Sollten
sich die Informationen nicht im Speicher aufspüren lassen,
müßte ich die Eintragungen im Archiv durchsehen. Das würde
allerdings ziemlich lange dauern. Und nun räumen Sie bitte
meinen Arbeitsplatz.«
Er erwiderte ihr Lächeln und stand auf. Er wollte hinausgehen, als Barbara sagte: »Ich sehe Ihnen an, daß Sie
Sorgen haben, Marsh. Geht es um Alex?«
Er nickte. »Ich habe ein schlechtes Gefühl, wie sich die
ganze Sache entwickelt. Ich habe kein Vertrauen mehr zu Dr.
Torres, der den Jungen behandelt. Ich möchte mir Alex'
Krankengeschichte ansehen, um zu überprüfen, was bisher
unternommen wurde.«
»Endlich ein klares Wort«, sagte Barbara Fannon erleichtert.
»Jetzt weiß ich, wonach ich suchen muß. Ich bringe Ihnen das
ausgedruckte Blatt mit den Daten, sobald ich den Fehler im
Speicher gefunden habe.«
Er ging in sein Büro. Eine Stunde verstrich, dann trat
Barbara ein. Ihre Miene war todernst. »Ich kann nichts finden«,
sagte sie.
Marsh sah von seinen Akten auf. »Die Daten sind nicht im
Computer?«
»Sie sind weder im Computer noch im Archiv«, antwortete
Barbara.
Sie gab Dr. Lonsdale eine Mappe, die als Aufschrift den
Namen ›Alex Lonsdale‹ trug. Die Mappe enthielt einen
einzigen Bogen Papier. Marsh nahm den Bogen heraus und las:
Die gesamte Krankengeschichte wurde auf Anweisung von Dr.
Marshall Lonsdale dem ›INSTITUT ZUR ERFORSCHUNG
DES MENSCHLICHEN GEHIRNS‹ übergeben.
Sein Blick verdüsterte sich. »Was zum Teufel hat das zu
bedeuten?«
»Es bedeutet«, sagte Barbara, »daß Sie Anweisung gegeben
haben, die Krankengeschichte Ihres Sohnes nach Palo Alto zu
schicken. Die Unterlagen sind von dort nie zurückgekommen.«
Marsh beugte sich vor und drückte auf eine Taste der
Gegensprechanlage. »Dr. Mallory, würden Sie bitte sofort in
mein Büro kommen?« Wenige Sekunden später betrat der Arzt
das Büro. Marsh überreichte ihm die Aktennotiz. »Was wissen
Sie über die Angelegenheit?«
Dr. Mallory las den Vermerk. »Es stimmt«, sagte er. »Wir
haben die gesamte Krankengeschichte nach Palo Alto
geschickt. Dr. Torres wollte die Daten haben.«
»Die Unterlagen sind nie zurückgekommen«, sagte Marsh.
»Und es gibt keine Kopien. Warum haben wir keine Kopien
gemacht?«
»Ich war sicher, es gäbe ein Doppel der Krankengeschichte«,
sagte Dr. Mallory. »Ganz davon abgesehen, daß die Unterlagen
schon seit Monaten zurück sein müßten, zusammen mit einem
Bericht des Instituts, aus dem die Einzelheiten der dort
durchgeführten Therapie hervorgehen. Für die weitere
Behandlung Ihres Sohnes brauchen wir die vollständige
Krankengeschichte.«
»Genau das meine ich auch«, sagte Marsh. »Aber wie Sie
sehen, haben wir nichts.« Er wandte sich zu Barbara. »Würden
Sie bitte beim Institut anrufen und nachfragen, warum die
Krankengeschichte noch nicht an uns zurückgeschickt wurde?«
Sie ging hinaus, Dr. Mallory blieb bei seinem Chef zurück.
»Sie wirken sehr aufgeregt, Marsh«, sagte er leise.
»Gibt es in dieser Angelegenheit Dinge, von denen ich
wissen sollte?«
»Ich habe keinen Durchblick«, sagte Marsh. »Ich habe nur
das Gefühl, daß bei der ganzen Sache etwas nicht in Ordnung
ist. Ich mache mir Sorgen.«
»Und Sie trauen Dr. Torres nicht über den Weg.«
»Ich habe nie behauptet, daß ich Dr. Torres vertraue«,
erwiderte Marsh. »Aber es geht hier nicht nur um die medizinischen Kenntnisse. Dr. Torres behandelt Alex, als wäre
der Junge sein Eigentum. Und das paßt mir nicht.«
»Was sagt Ellen dazu? Macht sie sich ebenfalls Sorgen
wegen Alex?«
»Sie hält Dr. Torres für den Wundertäter dieses Jahrhunderts. Ach ja, und dann glaubt sie, über ganz La Paloma
liegt ein Fluch.«
Dr. Mallory sah ihn ungläubig an. »Ein Fluch? Ich bitte Sie,
Marsh... Ich kann mir gar nicht
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