Das Kind der Stürme
fertig zu werden.«
»Neugierig?«
»Das ist alles schon so lange her. Das Verschwinden deiner Mutter und die Umstände, die dazu führten, sind hier zum Stoff von Geschichten geworden; ein wenig wie die Geschichte über deine Großmutter und die Zeit, die meine Onkel unter einem Bann verbrachten. Die Menschen können kaum mehr unterscheiden, was Geschichte und was Legende ist. So ist es nun einmal. Deine Ankunft wird zu Spekulationen führen. Die Leute werden eine Weile reden. Sie wissen nicht, was mit deiner Mutter geschehen ist. Die ganze Situation muss sehr sorgfältig gehandhabt werden.«
Ich antwortete nicht. Ich war mir der schweigenden Anwesenheit des Druiden an meiner anderen Seite deutlich bewusst; er schien mich zu beobachten, obwohl sein Blick auf den Weg vor uns gerichtet war. Es fühlte sich an, als schätzte er mich ab, ohne ein einziges Wort zu sagen. Es machte mich sehr nervös.
»Wir legen eine kurze Rast ein«, sagte Sean und zügelte sein Pferd, als wir eine kleine Lichtung erreichten. Es gab einen Bach und Farne, die rings um einen kleinen Teich wuchsen, und Licht fiel von oben herein und verlieh den moosumhüllten Baumstämmen ein seltsames grünes Schimmern. Die hohen Ulmen trugen Mäntel aus Efeu. »Ich helfe dir herunter, Fainne.«
Ich konnte ein schmerzerfülltes Ächzen nicht unterdrücken, als meine Füße den Boden berührten und sich mein ganzer Körper verkrampfte.
»Nicht ans Reiten gewöhnt«, stellte Sean fest und fing an, Holz für ein Feuer zu suchen. »Du hättest es uns sagen sollen.«
Ich rieb meinen schmerzenden Rücken, dann ließ ich mich mit einiger Schwierigkeit auf der Satteldecke nieder, die mein Onkel ausgebreitet hatte. Ich war tatsächlich müde, aber ich würde in meiner Wachsamkeit nicht nachlassen – nicht, solange mich dieser Druide mit seinen bodenlosen grauen Augen ansah.
Sean hatte schnell einen ordentlichen Haufen Bruchholz aufgeschichtet. Dass er Herr von Sevenwaters war, hatte ihn offenbar nicht gehindert, sich praktische Fähigkeiten anzueignen. Die Hunde legten sich hin, und die langen Zungen hingen ihnen aus den großen offenen Mäulern.
»Das Holz ist ein bisschen feucht«, sagte Sean mit einem Blick zu Conor. »Würdest du es für mich anzünden?«
Ich sah den Druiden an, und er erwiderte meinen Blick gelassen.
»Warum tust du es nicht, Fainne?«, sagte er leichthin.
Ich wusste sofort: Was immer ich tun musste, um diesen Mann zu überlisten, ich würde nie in der Lage sein, ihn zu belügen. Ich konnte mich nicht mädchenhaft unschuldig geben oder irgendeinen Bluff versuchen. Das hier war eine Prüfung, und es gab nur eine Möglichkeit, sie zu bestehen. Ich hob die Hand und zeigte mit dem Finger auf den Holzhaufen und die trockenen Blätter. Das Feuer flackerte auf und begann bald, stetig und heiß zu brennen.
»Danke«, sagte Sean und zog die Brauen hoch. »Dein Vater hat dir also ein paar Dinge beigebracht.«
»Eins oder zwei«, erwiderte ich vorsichtig und wärmte meine Hände am Feuer. »Ein paar kleine Kunstgriffe, nicht mehr.«
Conor setzte sich auf einen großen flachen Stein auf der anderen Seite des Feuers. Die Flammen zeigten mir sein Gesicht seltsam ausgeprägt, Schatten und bleiche Flächen gleichermaßen betont. Sein Blick war nun forschend auf mich gerichtet.
»Du weißt, dass Ciarán viele Jahre lang dem Druidenweg folgte«, stellte er fest. »Er war ein sehr begabter, viel versprechender junger Mann.«
Ich nickte und biss zornig die Zähne zusammen. Das war alles schön und gut; er hatte meinen Vater ermutigt und belogen und ihn glauben lassen, er könnte selbst ein Druide werden, obwohl er doch die ganze Zeit gewusst hatte, dass sein Schüler der Sohn einer Zauberin war.
»Du sagst, dein Vater hat dir ein paar kleine Kunstgriffe beigebracht. Was ist mit Ciarán selbst? Wie lebt er? Wendet er immer noch diese Fähigkeiten an, über die er in solchem Überfluss verfügte?«
Und wieso interessiert dich das?, dachte ich erbost. Aber ich formulierte meine Antwort vorsichtig. »Wir führen ein sehr einfaches, zurückgezogenes Leben. Er sucht nach Wissen. Er schult sich weiterhin in seinem Handwerk. Er übt es nur selten aus. Das ist seine eigene Entscheidung.«
Conor schwieg eine Weile. Dann fragte er: »Warum hat er dich hierher geschickt?«
Sean warf ihm einen Blick zu und runzelte ein wenig die Stirn.
»Das ist eine ganz vernünftige Frage.« Conors Ton blieb weiterhin freundlich. »Warum jetzt? Warum hat er sich
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