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Das Kind

Titel: Das Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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mit verzerrter Stimme weiter. »Sehen Sie die Verbandschere? Rammen Sie sie ihm ins Herz.«
Engler trat einen Schritt zurück und schmiss die offen stehende Beifahrertür zu. Das Geräusch erinnerte Stern an das Schlagen der Türen in Tiefensees Praxis. Erst jetzt fi el ihm auf, dass sich die beiden Stimmen damals nie überlagert hatten. Wann immer Engler den Verzerrer benutzte, war er in einen Praxisraum gegangen. Seine normale Stimme hatte er nur im Flur benutzt.
»Also, das hat echt Spaß gemacht, meinen Mitarbeiter da rauszuholen, den Sie in der Praxis überrascht haben.« Engler lachte. »Fast genauso sehr wie der inszenierte Unfall. Scheiße, Mann. Alles lief nach Plan, und auf einmal wollten Sie sich stellen? Das musste ich verhindern. Aber zum Glück sind Sie überaus leichtgläubig. Drei Schüsse, eine zersplitterte Windschutzscheibe und etwas Theaterblut im Mund, mehr braucht man bei Ihnen nicht. Na ja, gut, vielleicht noch eine DVD.«
Sein Kichern klang jetzt schon fast hysterisch. Engler spuckte auf den feuchten Waldboden, als er sich wieder etwas be ruhigt hatte. »Wie hat Ihnen denn die Einlage mit dem Motorradfahrer gefallen? Er wollte nur fünfhundert Euro dafür, dass er mir die Scheibe zerschießt und Ihnen dann die Waffe an den Kopf hält. Aber keine Sorge. Ist nicht schade um ihn. Der Kerl stand auf Kinder. Außerdem hat er Tiefensee auf dem Gewissen. Erinnern Sie sich? Das war der langhaarige Typ, dem Sie aus der Praxis hinterhergerannt sind.« Stern machte einen Schritt vorwärts, taumelte auf den Kofferraum seines Mercedes zu. Er fühlte, dass er bald etwas benötigen würde, um sich abzustützen, wenn er nicht schon wieder hinfallen wollte. Hier, mitten auf dem Parkplatz des gottverlassenen Strandbads Wannsee.
»Ach ja.« Engler tat so, als wäre ihm gerade etwas Wichtiges eingefallen. »Von der ›Brücke‹ wussten mir auf einmal viel zu viele. Ich hab daher mit dem Mann, der mich töten will, einen neuen Treffpunkt vereinbart und das Date um eine Dreiviertelstunde nach hinten verschoben. Aber ich denke, es wird uns schon nicht langweilig werden, bis unser Überraschungsgast hier eintrifft.«
8.
N ichts. Keine Lichter, kein Auto. Kein Lebenszeichen. Die
Abwesenheit von etwas konnte manchmal genauso spürbar sein wie die Gegenwart einer grölenden Menschenmenge. Carina stand auf dem Parkplatz vor der »Brücke« und spürte, wie die Einsamkeit sie erdrückte.
Wo sind sie? Wo ist Robert? Simon?
Außer dem Wagen, mit dem sie selbst gekommen war, stand kein weiteres Fahrzeug in der Zufahrt vor dem Restaurantschiff. Das Rauschen der Blätter, die knarrende Takelage und das nervöse Klatschen der Wellen mochten andere Geräusche der Umgebung übertönen. Doch ihre Instinkte sagten ihr, dass es hier nichts zum Übertönen gab. Sie war allein.
Carina griff sich ihr Handy, um noch einmal die Polizei anzurufen, wie sie es schon einmal auf der Herfahrt getan hatte. Bei Robert brauchte sie es nicht noch einmal zu versuchen. Sein Telefon war ausgeschaltet oder befand sich außerhalb eines Funknetzes.
Mit ihrer kleinen Pistole in der Hand ging sie noch einmal auf das verschlossene Tor vor dem Bootssteg zu und überlegte, ob sie hinüberklettern sollte. Oben an der geschwungenen Gitterpforte luden stacheldrahtumwickelte Spitzen dazu ein, sich den Bauch aufzureißen.
Carina musste an die Filme denken, in denen der Hauptdarsteller jetzt zu einem Tau greifen und sich zum Schiff hinüberhangeln würde. Aber ihre kraftlosen Arme vermittelten ihr eine sehr deutliche Botschaft: »Keine Chance.« Hinter ihr mischte sich plötzlich der Klang eines schnell vorbeifahrenden Wagens in die wütenden Laute des Herbststurmes. Sie griff zu ihrem Funktelefon und suchte blind die Sprechtaste, um die Wahlwiederholung für den Notruf zu aktivieren. Dann lehnte sie sich mit dem Rücken an die schwankende Gittertür – und fühlte es. Genau in dem Augenblick, als sie ihre Augen schloss.
Vor Schreck ließ Carina ihr Handy fallen. Als es zu Boden knallte, brach erst der Akku, dann fi el der Rest des Telefons über den Steg ins dunkle, aufgewühlte Wasser. Carina drehte sich langsam um, zu abgelenkt von ihrem Verdacht, um den
Verlust ihrer einzigen Kommunikationsmöglichkeit zu bedauern.
Tatsächlich. Es war schon immer da gewesen. Groß und prominent hing das laminierte Pappschild, das sich eben noch in ihren Rücken gebohrt hatte, an dem verschlossenen Tor. Sie hatte es übersehen, gerade weil es so offensichtlich war. Bis

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