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Das Kind

Titel: Das Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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üsterte Carina, während sie sich zu ihrem reglosen Kollegen hinunterbeugte.
Die Rothaarige schien sie nicht mehr zu verstehen. Sie stand wie festgeschweißt und bekam ihre bebende Unterlippe kaum unter Kontrolle.
»Ist er …, ist er …«, fragte sie, zu kraftlos, um das entscheidende Wort auszusprechen.
Tot?
Carina kniete sich neben den Pfl eger, und der Gestank wurde schlimmer. Sie packte ihn fest an seinen mächtigen Schultern und drehte ihn einmal, so dass er jetzt auf dem Rücken lag. Übelkeit stieg in ihr auf, bis sie merkte, dass das ein gutes Zeichen war. Sie roch Urin, Schweiß, Erbrochenes. Aber kein Blut!
Sie seufzte, als sich ihr Verdacht bestätigte. »Ein Arzt! Hol sofort einen Arzt!«, brüllte sie jetzt laut genug, um die andere Schwester aus der Erstarrung zu reißen. Picassos Augen fl atterten, dann öffneten sie sich. Trotz des schummrigen Lichtes erkannte Carina, dass sie viel wacher
aussahen, als sie angesichts seiner Vergiftungssymptome erwartet hatte.
»Kannst du mich hören?«
Er blinzelte.
Gott sei Dank.
Sie wollte ihn beruhigen, indem sie seine Hände hielt. Als sie nach ihnen griff, fühlte sie die Blätter, um die sich seine Finger geschlungen hatten.
»Was ist das?«, fragte sie laut, als wäre Picasso in seinem Zustand zu einer Antwort fähig gewesen. Er entkrampfte sich etwas, und sie konnte die Papiere an sich nehmen. Es handelte sich um einen schlichten Computerausdruck. Im Restlicht des Flurs erkannte sie die Datentabelle der Klinik. Picasso hatte sich auf dem Krankenhausrechner den Bettenplan der Intensivstation ausgedruckt. Aber wieso?
Sie sah die beiden rot unterstrichenen Namen auf der Tabelle. Und presste sich die Hand vor den Mund. Das kann doch nicht sein.
Sie überprüfte nochmals das mehrere Wochen zurückliegende Datum des Plans. Doch es gab keinen Zweifel. Plötzlich spürte sie eine Hand auf der Schulter. Sie schnellte herum, als hätte ein Einbrecher sie im Dunkeln von hinten überrascht.
»Hey, hey. Ganz ruhig. Sie kommen jetzt besser mit, bis …«
Carina drehte sich unter der Hand weg und stieß den leitenden Oberarzt zur Seite, der gemeinsam mit einer weiteren Schwester zu Hilfe geeilt war. Kurz danach riss sie den Reißverschluss ihrer Hüfttasche auf und zog ihre Pistole hervor.
»Er wurde vergiftet«, sagte sie mit Blick auf Picasso, der ge rade versuchte, sich selbsttätig auf die Couch zu ziehen. Was immer es auch war, das ihm in seinen Kaffee gemischt worden war, damit Simons Entführung ungehindert vonstattengehen konnte – die Dosis war für den Bären zu schwach gewesen.
»Wagt es ja nicht, mir zu folgen. Wartet hier und sagt der Polizei, sie sollen sofort alle verfügbaren Einsatzkräfte zur Havelchaussee schicken. Höhe Schildhorn.« »Carina?«
Die Rufe des Arztes hallten ihr eher halbherzig hinterher. Auch von den Schwestern traute sich niemand mehr, ihr zu folgen, seit sie eine Waffe in der Hand hielt. Und nun?
Die Pistole nutzte ihr wenig. Sie konnte auch nicht warten, bis die Polizei eintraf. Sie musste Stern sofort zu Hilfe eilen. Aber wie? Ihren eigenen Wagen hatte sie vor der Villa abge stellt.
»Sie können hier nicht weg«, rief der Arzt. Stimmt. Es sei denn …
Carina stolperte in das Schwesternzimmer und griff sich Picassos Lederjacke. Auf dem Weg zurück zu den Fahrstühlen blieb sie kurz vor einem Zimmer stehen, das sich direkt gegenüber dem Raucherraum befand. Nur um sicherzugehen, öffnete sie die Tür. Leer. Ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigten sich.
Nochwährend sie die Treppen nach unten zum Hauptausgang raste, tastete sie die Innentaschen der Jacke ab. Bingo.
Brieftasche, Kaugummis, Schlüsselbund.
Carina spurtete durch die geöffnete Glastür nach außen, an dem hektisch telefonierenden Pförtner vorbei. Sie wusste, wo Picasso heute Morgen wie immer seinen tiefergelegten Sportwagen abgestellt hatte.
»Er fährt zweihundertachtzig Spitze«, hatte er einmal geprahlt, als er sie zu einer Spritztour überreden wollte. Carina bezweifelte, dass das ausreichen würde, um die Katastrophe noch zu verhindern.
7.
S tern wachte auf, und das Leichentuch auf seinem Gesicht
hatte plötzlich eine festere Konsistenz. Es war dicker, dichter, aus gröberem Stoff, der unangenehm auf der Haut kratzte. Wie ein Winterpulli aus billigen Wollfasern. Die Übelkeit war kaum zu ertragen. Und die rührte nicht nur von dem Chloroform her, das noch lange nicht aus seinem Körper geschwemmt war, sondern auch von dem Gegenstand in seinem Mund.

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