Das kleine Haus am Meer (Romantischer Lady-Krimi)(German Edition)
seufzte tief auf.
»Dann ließen sich die beiden scheiden«, half Graf Andreas dem Anwalt weiter.
Dr. Paulsen nickte. »Ja, die Ehe war nicht gut. Klaras Mann schlug nicht nur den Jungen, sondern auch seine Mutter. Als die Verbindung dann zerbrach dachte ich, es wäre ein Segen für Sigmund. Doch Klara war durch die Zeit mit diesem Grobian so mürbe geworden, dass sie sich außerstande fühlte, ihren Sohn großzuziehen. Sigmund musste in ein Internat. Er war ungefähr fünfzehn Jahre alt, als er zum ersten Mal von dort ausriss. Klara schickte ihn wieder zurück, doch ein halbes Jahr später stand er erneut vor der Tür. Er war schon damals so kräftig, dass seine Mutter kaum eine Chance hatte, sich gegen ihn zur Wehr zu setzen. Er würgte sie bis zur Bewusstlosigkeit, dann lief er davon.«
Die Erregun g des jungen Grafen wuchs ins Unermessliche. »Weshalb sitzt er dann nicht hinter Schloss und Riegel?« fragte er aufgebracht.
»Sie könn en doch einen Fünfzehnjährigen nicht lebenslänglich einsperren«, antwortete der Anwalt müde. »Außerdem verzichtete Klara damals darauf, ihren eigenen Sohn anzuklagen. Sie war auch eine ganze Zeitlang nicht zurechnungsfähig. Ich brachte sie damals in eine psychiatrische Klinik nach Hamburg, wo man sie langsam wieder aufpäppelte. Nach einem Dreivierteljahr war sie wieder gesund, und ich war froh darüber.«
»Sie haben Klara geliebt?« Obwohl Graf Andreas es als Frage formulierte, klang es doch mehr wie eine Feststellung.
Dr. Paulsen widersprach nicht. Er starrte vor sich hin und schwieg.
»Sprechen Sie bitte weiter, Herr Doktor«, bat er dann. »Was will dieser Willert hier? Hat er rechtliche Möglichkeiten, um Silvia das Erbe streitig zu machen?«
Der alte Rechtsanwalt zuckte die Schultern. »Er kann das Testament anfechten, doch ob es viel
Sinn haben wird, kann ich Ihnen nicht sagen.«
»Das weiß er längst«, murmelte Andreas vor sich hin. Er presste in ohnmächtigem Zorn die Handflächen gegeneinander. »Ich muss zu Silvia. Ich muss sie finden.« Er stürmte zur Tür.
»Halt! Warten Sie, Herr Graf. Da ist noc h etwas, das ich Ihnen sagen sollte.« Hastig erhob sich der Anwalt und stellte sich vor ihn hin. In seinen Augen flackerte es unruhig, als würde er sich große Sorgen machen.
» Da ist ein Fremder im Gasthof abgestiegen. Huber heißt er, hat man mir gesagt«, berichtete Dr. Paulsen erregt.
»Dann hat Ihnen die Anwesenheit dieses Willerts also doch mehr Kopfzerbrechen bereitet als Sie zugeben wollten. Ich kann Sie nicht verstehen, Herr Doktor. Wenn Silvia etwas geschieht, dann sind Sie nicht unschuldig daran.«
Andreas konnte sich kaum mehr beherrschen. Die Angst und der Zorn über, das Schweigen des Mannes raubten ihm jedes klare Denkvermögen.
Dr. Paulsen zuckte mit den Schultern. »Ihre Anschuldigungen sind berechtigt«, gab er müde zu und wischte mit der rechten Hand über imaginären Staub auf seinem Schreibtisch, als wollte er damit etwas Zeit gewinnen zum Nachdenken. »Ich kann Ihnen nicht widersprechen. Doch jetzt ist es wichtiger, dass wir etwas unternehmen. Darum lassen Sie mich den Rest auch noch erzählen, den ich erfahren habe.«
»Bitte.« Andreas taten seine heftigen Worte schon wieder leid.
»Irgend etwas ist mit dem Mann, diesem Huber, nicht in Ordnung. Außerdem scheint er Sigmund Willert zu kennen. Es wird gemunkelt,. dass… « Er zögerte, doch dann fuhr er fort: »Die Leute sagen, Sigmund würde ihm Geld schulden. Und dieser Huber sei nun gekommen, um ihm das Messer an die Kehle zu setzen.«
»Es passt alles zusammen, Herr Doktor«, stellte Andreas fest. Seine Stimme klang heiser vor Aufregung. »Silvia ist in Gefahr, und ich muss sie warnen.«
»Tun Sie das, mein Junge«, murmelte der Anwalt niedergeschlagen. »Beeilen Sie sich, und, bitte, kommen Sie nicht zu spät, Es wäre entsetzlich, wenn der jungen Frau etwas geschehen würde. Ich würde mir mein ganzes Leben lang Vorwürfe machen.«
Graf A ndreas hörte die Worte des Anwalts gar nicht mehr. Wie von Furien gehetzt stürmte er die Treppen hinunter und aus den Haus. Verzweifelt stöhnte er auf, als der Motor nicht gleich ansprang. Die schrecklichsten Bilder sah er vor seinem geistigen Auge. Er sah Silvia erwürgt in ihrem Garten liegen, die Augen vor Entsetzen geweitet, der Mund wie zu einem Schrei geöffnet.
»Nein, nein und noch mal nein! Es ist noch nicht zu spät. « Vor innerer Anspannung knirschte er mit den Zähnen. Energisch rief er sich zur Ruhe, und jetzt
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