Das kleine Reiseandenken
Dänisch, und da kann ich nicht fragen.“
„Ich dachte, du hättest bei diesem Fräulein Skovsgaard auch eingeholt?“
„Ja, sie hat mir immer für die verschiedenen Geschäfte Zettel geschrieben.“
„Die muß ja viel Zeit gehabt haben! Ich habe mehr zu tun, als mich hinzusetzen und Zettel zu schreiben. Aber künftig denk dran, daß du deinen Verstand zusammennimmst und dich umguckst und nicht immer gerade das Teuerste kaufst. Ich dachte, ihr Deutschen wärt so sparsam. Deine Mutter war es jedenfalls.“
„Hast du Mutter gern gehabt, Tante Agate?“
„Natürlich. Sonst hätte ich doch ihre Tochter nicht eingeladen. O ja, Jutta war ein prächtiges Mädel. Fleißig und bescheiden. Und wie gesagt, das war mal eine, die konnte mit Geld umgehen! Mein seliger Mann sagte es auch immer. Die Jutta, die Jutta, sagte er, von der kann manch einer was lernen!“
Die paar freundlichen Worte über die Mutter hatten ausgereicht, um Ingrid wieder heiter und dankbar zu stimmen. Natürlich sah sie ein, daß man mit Geld vorsichtig umgehen mußte. Das hatte sie nun wirklich bei Onkel Peter und Tante Margrete gelernt. Das war so klar und so einfach einzusehen. Und wenn ihre Mutter so tüchtig und sparsam gewesen war, dann wollte Ingrid es auch sein.
Dies alles ging ihr jetzt mitten in der Nacht durch den Kopf, während sie wach lag, verschwitzt und mit dumpfem Hirn. Sie schlief in der übervollen Stube auf dem Sofa. Sonst schien diese Stube nie benutzt zu werden. Die Tante hielt sich den ganzen Tag im Laden auf. Ihre Mahlzeiten verzehrte sie hastig in der Küche.
Hier saß sie auch und las die Abendzeitung, ehe sie zu Bett ging.
Ingrid war immer wieder ermahnt worden, mit den feinen Stubenmöbeln vorsichtig umzugehen. Sie durfte auch nichts auf das polierte Regal stellen und nicht mit Straßenschuhen über den Teppich laufen.
Das Mädchen seufzte tief auf. Die Nachtluft strömte in den heißen, nach Tabak riechenden Raum und trug den Lärm der Stadt und ihren Staub herein. Aber Ingrid schlief trotzdem ein, mit dem festen Vorsatz, eher aufzuwachen als die Tante, damit sie noch rechtzeitig das Fenster schließen könnte – sonst wurde sie wieder ausgezankt.
Die kleine Ingrid hatte ihr ganzes Leben lang gearbeitet. Sie war daran gewöhnt, und es war ihr ganz selbstverständlich. Daß sie alle Hausarbeit bei Tante Agate machen mußte, fand sie also in Ordnung. Das war es nicht, wovon ihre Wangen blaß und die Augen groß und sehnsüchtig wurden. Das war es nicht, weshalb sie viele Male am Tag mit einem furchtsamen Blick zusammenzuckte. Die Unsicherheit war es, die sie quälte.
Nie wußte sie, ob die Tante nicht wieder einen Grund zum Schelten finden würde.
Ingrid! Nimm nicht so viel Seife! – Ingrid, du brauchst doch noch kein Licht zu machen, der Strom ist so teuer. – Schäl die Kartoffeln nicht so dick! – Kratz die Butter ordentlich vom Papier, ehe du’s wegschmeißt! Ingrid, tu den Kaffeesatz nicht weg, du kannst ihn noch mal gebrauchen! So ging es den ganzen Tag.
Bei Tante Margrete hatte sie sparsam wirtschaften gelernt, aber die hatte es ihr auf freundliche, nette Art beigebracht. Die Arbeit bei Tante Margrete war immer wieder durch ein Lächeln und freundliche Worte gewürzt worden. In der kleinen Häuslichkeit hatte immer Sonnenschein geherrscht.
Sonnenschein – ja, und der Duft von den großen, weiten Feldern draußen. Die Sonne fiel in einem breiten goldenen Strahl durch das Küchenfenster mit den kleinen Scheiben. Die Zwillinge spielten aufdem Fußboden, störten oft und liefen einem fortwährend zwischen den Füßen herum. Jetzt sehnte sich Ingrid so heftig nach ihnen und all ihrem Gewühl, daß sie glaubte, sie müßte vor Heimweh schreien.
Die Tage bei Tante Agate vergingen in grauem Einerlei. Ingrid dachte oft daran, daß zehn Minuten von Tante Agates Laden und ihrer dunklen Wohnung die großen breiten Straßen mit Licht und Farben und fröhlichen Menschen lagen. Zwanzig Minuten mit der Straßenbahn, und sie wäre bei Inge.
Aber jedesmal, wenn sie Tante Agate fragen wollte, ob sie einmal zu Inge fahren dürfte, stellte die Tante sie gerade zu irgendeiner Arbeit an.
Abends war Tante Agate müde. Erst aßen sie – das Essen hatte Ingrid gekocht – und dann wusch Ingrid auf. Währenddessen saß die Tante und zählte die Tageskasse. Sie neigte sich dabei über den Küchentisch, die Scheine und Münzen vor sich. Sie zählte und zählte, rechnete und rechnete und war gegen alles andere blind und
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