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Das kleine Reiseandenken

Das kleine Reiseandenken

Titel: Das kleine Reiseandenken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Mittag gegessen, und ich hätte eine Strumpfhose bei dir geholt, die ich vergessen hatte. Sie weiß nicht, daß ich auf der Treppe gewartet habe…“
    Inge faßte sie unters Kinn, hob ihr Gesicht hoch und schaute sie forschend an. Sie war bleich, die kleine Ingrid, und die Augen hatten einen neuen Ausdruck bekommen…
    „Kleine Ingrid – fängst du an zu lügen?“
    „Ich muß. Inge – ich erklär dir’s später – aber sei so lieb…“
    „Schon gut, ich sag nichts. Ist deine Tante im Laden?“
    „Ja. Sie ist ja immer im Laden.“
    „Ich will sie fragen, ob ich dich mit in den Zoo nehmen darf!“
    „Inge – wenn du – ich meine – wenn du doch heute Zigaretten kaufst – kannst du sie nicht bei ihr kaufen? Dann ist sie friedlich…“
    „Doch. Das kann ich gern tun.“
    Inge drückte Ingrid ganz rasch an sich, Dixi leckte ihr die Hand, und dann ging Inge hinaus und zur Ladentür wieder hinein.
    Tante Agate erkannte sie im ersten Augenblick nicht wieder. Aber als Inge sie fragte, wie ihr der Aufenthalt im Krankenhaus bekommen sei, ging ihr ein Licht auf.
    „Ach, Sie sind Fräulein Skovsgaard. Ich habe Sie nicht gleich erkannt. Wo ich Sie doch nur das eine Mal gesehen hab.“
    „Ja, natürlich. Und da waren Sie noch ziemlich mitgenommen von dem Unfall, nicht wahr?“
    „Na, das will ich wohl meinen. Herrgott, es war ja auch so ein Pech, wie man sich’s gar nicht vorstellen kann! Ich hatte nur einjunges Mädchen für den Laden. Na ja, die bin ich dann Gott sei Dank losgeworden. Man muß schon selber mächtig hinterher sein, wenn man nicht übers Ohr gehauen werden will. Diese vierzehn Tage haben mich allerhand gekostet, das kann ich Ihnen versichern.“
    Tante Agate fuhr fort zu jammern und sich über das teure Krankenhaus und die teure Autofahrt und die teure Hilfe im Laden zu beklagen. Sonderbarerweise sagte sie kein Wort davon, wie teuer Ingrid ihr zu stehen kam.
    Als sie einen Augenblick innehielt, um Atem zu schöpfen, konnte Inge ein paar Worte einwerfen und verlangte fünfzig Zigaretten. Sie nannte eine teure und sehr feine Marke.
    Es ging genauso, wie Ingrid vorausgesagt hatte. Tante Agates Miene hellte sich sofort auf, wenn ein Kunde viel kaufte. Inge beschloß unverzüglich, so viel zu kaufen, daß sie einen kleinen Vorrat hatte; vielleicht nahmen ihre Bekannten ihr etwas ab. Als Tante Agate die Zigaretten und eine Flasche Likör eingepackt hatte, dazu noch eine Schachtel Zündhölzer und ein paar Kleinigkeiten, hielt Inge die Zeit für gekommen, ihr beizubringen, daß sie Ingrid gern mit in den Zoo nehmen würde.
    „Heute?“ sagte Tante Agate, „das ist unmöglich. Heute habe ich meine Monatsabrechnung. Dann muß Ingrid den Haushalt machen.“
    „Nun gut“, sagte Inge mit ihrem süßesten Lächeln, „das verstehe ich nur zu gut. Aber wann hat Ingrid ihren freien Tag, damit ich sie dann abholen kann?“
    „Freien Tag?“
    „Nun ja, jede Hausangestellte hat doch ihren freien Tag, nicht wahr? Das ist doch sicher der Mittwoch nachmittag? Das ist ja so üblich. Dann können wir gleich fest vereinbaren, daß ich sie am Mittwoch um zwei Uhr abhole. Sie kann bei mir zu Mittag essen, und ich schick sie dann zur rechten Zeit wieder nach Haus!“
    Tante Agate öffnete den Mund, um zu antworten. Aber da fielen ihre Augen auf das große Paket auf dem Ladentisch, und ehe sie noch etwas sagen konnte, hatte Inge ihr zum Abschied freundlich zugenickt: „Das ist also abgemacht, Frau Jespersen. Mittwoch umzwei Uhr. Sie müssen das Ingridchen grüßen, ich will sie nicht bei ihrer Arbeit stören.“
    Inges freundliches Lächeln verschwand, sowie sie die Tür hinter sich zugemacht hatte.
    Und da sie niemand anderes hatte, mit dem sie reden konnte, sprach sie mit Dixi: „Hast du je in deinem Leben schon eine so alte Geizliese gesehen, Dixi? Und unsere liebe Ingrid ist so blaß geworden und hat große, bange Augen bekommen. Was können wir bloß für sie tun, Dixi?“
    Dixi horchte auf und wedelte mit dem Schwanz und starrte sein Frauchen anbetend an.
    „Wir müssen uns bis Mittwoch gedulden, Dixi. Aber dann werden wir schon die ganze Wahrheit aus unserem kleinen Reiseandenken herauskriegen! War doch gelacht, wenn wir das nicht schafften!“
    Es folgten ein paar regnerische Tage. Aber am Mittwoch morgen strahlte die Sonne schöner als je zuvor. Bald würde der Frühling vorbei sein – der Sommer war im Anmarsch. Der Flieder blühte in dem warmen Sonnenschein auf. Die vielen Parks von Kopenhagen

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