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Das Kloster der Ketzer

Das Kloster der Ketzer

Titel: Das Kloster der Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M Schroeder
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dürfte und von der ich nicht weiß, ob ich ihr gewachsen bin. Aber ich vertraue auf Gott und werde tun, was in meiner Macht steht.«
    Sebastian hatte noch eine ganze Reihe von Fragen an ihn, vor allem von wem und wieso er wusste, wie er wirklich hieß. Aber er sollte an diesem Ort keine Gelegenheit mehr bekommen, sie zu stellen.

    Denn in diesem Moment wurde der lederne Vorhang, der im Durchgang zu einem der Nebenräume hing und vor dem Sebastian stehen geblieben war, mit einem heftigen Ruck zur Seite gerissen. Und eine Stimme sagte höhnisch: »Diese Mühe werde ich Euch ersparen, Ihr verfluchten Ketzer!«
    Im selben Augenblick spürte Sebastian eine kalte Messerklinge an seiner Kehle.
    »Keiner von Euch rührt sich von der Stelle, sonst steche ich zu!«, drohte der Mann hinter Sebastian. »Und dass ich kein Mann leerer Drohungen bin, dürftet Ihr inzwischen begriffen haben!«
    Es war Bruder Sulpicius, der Prior!

21
    Grenzenloses Entsetzen ließ Sebastian erstarren. Er gefror in der halben Drehung, zu der er beim Geräusch des hinter ihm zur Seite fliegenden Vorhangs instinktiv angesetzt hatte. Aus den Augenwinkeln nahm er die Hand mit dem Messer wahr, dessen Schneide sich in seine Kehle in der Höhe der Halsschlagader drückte und die Haut merklich spannte.
    Bruder Sulpicius hatte sich in der Seitenkammer der Werkstatt, wo sie ihren Papiervorrat und andere Utensilien aufbewahrten, versteckt gehalten und auf sie gewartet! Und das bedeutete, dass er, der heimtückische Mörder der Brüder Pachomius und Lombardus, am Vormittag sein kurzes Gespräch mit dem Novizenmeister am dunklen Treppenaufgang belauscht und ihre Verabredung zu einem nächtlichen Treffen in der Druckerei gehört haben musste!

    »Wie gut, dass ich überall stets die Ohren offen halte und zudem auch noch weiß, wo die Nachschlüssel zu allen Räumen hängen! Aber um ein Haar hätte ich Euer Geplauder doch wahrhaftig verschlafen. Bin aber zum Glück noch früh genug hinter den Papierstapeln wieder aufgewacht. Wäre doch zu schade, wenn ich Euer heimeliges Zusammensein hier verpasst hätte. Denn heute Morgen habe ich leider nur einen Teil eures Wortwechsel an der Treppe mitbekommen«, sagte der Prior mit beißendem Hohn. »Nur dass ich auch gleich noch das Geständnis eines verfluchten Ketzers mit anhören würde, der in unserem Kloster heimlich lutherische Flugschriften druckt, hätte ich mir nicht träumen lassen. Das nenne ich wahrlich einen Wink der Vorsehung!«
    Auch Bruder Scriptoris war beim plötzlichen Auftauchen des Priors wie vom Donner gerührt neben der Druckpresse zusammengefahren. Das Blut wich aus seinem Gesicht, als er die Tragweite des Geschehens begriff.
    »Ihr also habt unseren Vater Abt zu vergiften versucht und den Tod von Pachomius und Lombardus auf dem Gewissen?«, stieß er ungläubig hervor, als könnte er noch immer nicht begreifen, dass sein Mitbruder diese grässlichen Verbrechen begangen hatte.
    »Der alte Kauz hat sein Leben gelebt, und es wäre allerhöchste Zeit für ihn gewesen, endlich abzutreten und einem wirklich fähigen Mann auf dem Abtsstuhl Platz zu machen!«, erwiderte Bruder Scriptoris kaltschnäuzig. »Und was diesen von Dämonen besessenen Dummkopf von Pachomius angeht, so hat der sowieso nicht zum Klosterleben getaugt. Was für eine schwache, jämmerliche Gestalt! Eine Schande für jedes Kloster! Und dem alten Lombardus habe ich doch sogar noch einen Gefallen getan, indem ich ihn endlich von seinem Leiden in völliger Finsternis erlöste!«

    »Ihr seid zum Mörder geworden!«, stieß Bruder Scriptoris voller Abscheu hervor.
    Der Prior lachte auf. »Was für scheinheilige Worte aus dem Mund eines Ketzers, dessen einzig angemessener Platz auf einem lodernden Scheiterhaufen ist!«, höhnte er. »Ich hatte Euch ja schon immer im Verdacht, heimlich Sympathien für die lutheranischen Irrlehren zu hegen. Kein Wunder, dass Ihr Eure Rolle bei der Disputation so überzeugend gespielt habt. Aber dass Ihr einige dieser gottlosen Flugschriften verfasst und auch noch hier in unserem Kloster gedruckt habt, ist ja wohl der Abgrund der Infamie! Dafür gehört Ihr bis aufs Blut gepeitscht, bevor man Euch dem verdienten Feuertod überantwortet!«
    »Ich weiß, was und warum ich es getan habe. Und ich war immer bereit, die Strafe für meine Schuld auf mich zu nehmen, sofern es denn überhaupt eine ist«, entgegnete der Novizenmeister mühsam beherrscht. »Das unterscheidet mich von einem feigen Verbrecher Eurer Sorte, der

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