Das Kloster der Ketzer
Taten fähig sein soll, aber die Tatsachen sprechen eine zu deutliche Sprache, um jetzt noch Zweifel zuzulasssen. Der Mörder, der eigentlich unseren Vater Abt ins Grab bringen wollte und nun Pachomius und Lombardus auf dem Gewissen hat, kann nur einer aus unserer Mitte sein!«
»Und Bruder Lombardus musste sterben, weil er von dem Mord an Bruder Pachomius irgendetwas mitbekommen hat«, folgerte Sebastian. »Er muss den Mörder an seinem Schritt oder an der Stimme erkannt haben.«
Der Mönch nickte. »Ja, irgendetwas in der Art muss er bemerkt haben, als der Mörder Pachomius aus dem Fenster gestoßen hat. Vielleicht hat Pachomius sich sogar noch gewehrt oder um Hilfe gefleht. Denn wie Bruder Eusebius mir erklärt hat, dauert es bei einer schweren Vergiftung mit Blauem Eisenhut eine ganze Weile, bis der Tod eintritt. Erst befällt das Opfer ein starkes Kribbeln und Brennen am ganzen Körper, dann erbricht der Vergiftete schleimigen Schaum und schließlich setzt eine Lähmung ein, ohne dass der Sterbende dabei jedoch das Bewusstsein verliert. Er stirbt klaren Sinnes. Ein grässlicher Tod. Aber was genau sich dort oben abgespielt hat, weiß allein der Mörder, der verflucht sei und auf ewig im Fegefeuer brennen möge!«
»Wer mag es denn auf Euren Abt abgesehen haben?«, wollte Sebastian nun wissen. »Und wie konnte er das Gift unbemerkt in den Schlaftrunk mischen? Ich war gestern in der Küche und habe gesehen, wie Bruder Cäsarius die Milch erhitzt und den Honig hineingerührt hat. Wenn er...«
Bruder Scriptoris fiel ihm ins Wort. »Nein, Bruder Cäsarius kommt als Täter nicht in Frage, darin stimme ich mit Bruder Eusebius überein. Er verehrt unseren Abt und wäre zu solch einem Verbrechen nie und nimmer in der Lage. Wir nehmen an, dass sich das Gift im Honig befand. Denn den Honig, mit dem der Schlaftrunk von Abt Adelphus gesüßt wird, bewahrt Cäsarius in einem gesonderten Topf auf, der nur unserem Abt vorbehalten ist. Der Mörder hat das Gift dem Honig vermutlich schon vorher beigemengt.«
»Und wer kommt dann in Frage?«
Der Mönch gab ein kurzes, bitteres Lachen von sich. »Eigentlich nur jemand, der gehofft hatte, dass unser Abt seine Krankheit nicht übersteht, und der es in seinem brennenden Ehrgeiz nicht erwarten kann, bei der nächsten Abtswahl selbst in dieses hohe Amt gewählt zu werden.«
»Also der Cellerar und der Prior«, folgerte Sebastian und verkniff sich den Zusatz, dass auch er, der Novizenmeister, von nicht wenigen als nächster Abt gehandelt wurde.
»Ja, darauf deuten alle Zeichen hin«, pflichtete ihm Bruder Scriptoris bei. »Aber es ist auch möglich, dass ein anderer unserer Mitbrüder ihn loswerden will, weil ihm die strenge Zucht nicht passt und er hofft, dass das Leben bei uns im Kloster unter Bruder Vitus oder Bruder Sulpicius wieder um einiges leichter wird. Aber bei Gott, wir werden es herausfinden, wer hinter den Verbrechen steckt! Und er wird seine gerechte Strafe bekommen!«
»Weiß der Abt, dass man ihm nach dem Leben trachtet?«
Der Mönch schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin mit Bruder Eusebius übereingekommen, unser Wissen noch eine Weile für uns zu behalten, bis wir irgendeinen handfesten Beweis in der Hand haben, um den Mörder zu überführen. Wir fürchten, dass unserem Abt diese Nachricht bei seinem angegriffenen Gesundheitszustand im wahrsten Sinne des Wortes das Herz brechen und seinen Tod bedeuten könnte.«
»Aber setzt Ihr ihn damit nicht der ungeheuren Gefahr aus, ahnungslos einem zweiten Anschlag auf sein Leben zum Opfer zu fallen?«, gab Sebastian zu bedenken.
»Nein, das glauben wir nicht. Nach den beiden Todesfällen innerhalb so kurzer Zeit wird sich der Mörder hüten, einen dritten Mord zu wagen. Er wird wissen, dass der eine oder andere von uns den Verdacht hegt, dass an den beiden Todesfällen etwas faul ist. Viele Augen und Ohren werden in nächster Zeit wachsamer sein als bisher. Nein, wer immer der Mörder ist, er wird nach seinem katastrophalen Fehlschlag nicht so dumm sein, es noch einmal mit Gift zu versuchen.«
»Und was genau wollt Ihr und Bruder Eusebius unternehmen, um den Mörder zu stellen?«
Der Mönch seufzte. »Bruder Eusebius ist ein frommer und rechtschaffener Mann, der viel von Kräutern und derlei Dingen versteht, aber leider auch von eher ängstlicher Natur ist. Daher wird die schwere Aufgabe, den Mörder zu entlarven, wohl allein auf meinen Schultern liegen. Eine Aufgabe, die mir noch viel Kopfzerbrechen bereiten
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