Das Kloster der Ketzer
aus den niedrigsten Motiven mordet!«
»Auch ich weiß sehr wohl, was und warum ich es getan habe!«, gab der Prior zurück. »Und von einem Ketzer wie Euch brauche ich mir wahrlich keine Moralpredigten anzuhören.«
»Ihr mögt im Augenblick den Vorteil auf Eurer Seite haben. Aber Eurer gerechten Strafe werdet Ihr nicht entgehen!«, prophezeite Bruder Scriptoris.
»Und wer soll mich zur Rechenschaft ziehen? Ihr vielleicht? Oder etwa dieser unbeleckte Novize hier? Habt Ihr irgendwelche Beweise, die auch nur halbwegs für eine Anklage taugen? Zeugen? Nein, nichts habt Ihr! Und was hier gesprochen wird, hat vor Gericht so viel Wert wie ein Furz auf freiem Feld! Zumal aus dem Mund eines überführten Ketzers.« Der Prior lachte abfällig. »Außerdem kann man jemanden, dessen man
nicht habhaft werden kann, schlechterdings vor ein Gericht zerren. Und damit sind wir bei dem, was jetzt zu tun ist, werte Mitbrüder. Denn ich möchte meine Reise, zu der ich mich trotz allem leider genötigt sehe, doch gern mit einem möglichst großen Vorsprung antreten. Also, fangen wir an. Bindet zuerst einmal Euren Gürtelstrick los, lasst ihn neben Euch zu Boden fallen und legt Euch dann bäuchlings auf den Boden! Wenn Ihr Dummheiten macht, schneide ich Eurem Günstling die Kehle auf!«
»Ihr seid ja nicht...«, setzte Bruder Scriptoris zu einem wütenden Einwand an.
»Runter habe ich gesagt!«, donnerte der Prior und erhöhte den Druck der Messerklinge.
Sebastian, der die ganze Zeit nicht einen Ton von sich gegeben und reglos vor dem Prior gestanden hatte, gab nun einen erstickten Aufschrei von sich, als die Schneide seine Haut aufritzte.
»Es liegt ganz bei Euch, ob Laurentius stirbt oder lebt!«, drohte Bruder Sulpicius. »Und wenn Ihr es dann noch schaffen solltet, mich zu überwältigen, werde ich glaubhaft machen können, dass ich Euch beide auf frischer Tat bei Eurer ketzerischen Arbeit ertappt und mich in einem Handgemenge mit dem Novizen nur meiner Haut erwehrt habe!«
»Verflucht sollt Ihr sein!«, stieß Bruder Scriptoris hervor. »Aber gut, Ihr sollt Euren Willen bekommen! Nur tut ihm nichts an!« Er band seinen Gürtelstrick los, ließ ihn zu Boden fallen und streckte sich dann wie befohlen bäuchlings auf den breiten Bohlen aus.
»So, und nun zu dir, Bursche!«, sagte der Prior zu Sebastian. »Du gehst jetzt ganz langsam zu ihm und wirst ihm die Hände mit seinem Strick auf dem Rücken fesseln. Aber glaube nicht, mich übertölpeln zu können! Mein Messer wird nicht eine
Sekunde lang von deiner Kehle weichen. Und machst du eine falsche Bewegung, ist es um dich geschehen. Hast du das verstanden?«
Sebastian nickte stumm, schnürte ihm doch die Angst die Kehle zu.
»Gut, dann setz dich in Bewegung! Aber ganz langsam! Und lass deine Hände unten, wenn du am Leben hängst!«, warnte der skrupellose Mönch.
Sebastian tat, wie ihm geheißen. Mit steifen, fast hölzernen Bewegungen ging er hinüber zu Bruder Scriptoris, während der Prior nicht von seiner Seite wich. Das Messer verlor auch nicht einen Augenblick den Kontakt mit seiner Kehle. Bevor der Prior mit ihm neben dem am Boden ausgestreckten Novizenmeister in die Knie ging, bemerkte er, dass Bruder Sulpicius mit der linken Hand irgendetwas von dem Seitentisch nahm, der zwischen den beiden Hoffenstern stand und auf dem allerlei Gerätschaften lagen. Doch was genau er an sich nahm, vermochte er nicht festzustellen. Ihn beschlich jedoch die beklemmende Ahnung, dass ihnen größeres Unheil drohte, als nur bis zum nächsten Morgen gefesselt in der Werkstatt zu liegen.
Nachdem er Bruder Scriptoris die Hände gefesselt hatte, war es nun an ihm, seinen Gürtelstrick loszubinden und sich mit dem Gesicht nach unten auf den Boden zu legen.
Der Prior schnürte nun ihm die Hände auf dem Rücken zusammen. Dann band er ihnen beiden die Füße mit Schnur zusammen, von der sich reichlich auf den Werktischen der Druckerei fand.
»Ach, ich vergaß da noch etwas zu erwähnen, was Ihr unbedingt wissen solltet«, sagte er mit bösartiger Häme. »Nämlich dass ich höchst persönlich dafür sorgen werde, dass Ihr die Strafe erhaltet, die Ketzern gebührt. Zwar werdet Ihr nicht auf
dem Scheiterhaufen und in der Öffentlichkeit sterben, aber immerhin doch im Feuer zur Hölle fahren! Ein so altes Fachwerkhaus wie dieses mit einer Druckwerkstatt voll von Papier wird Euch nicht weniger gierig verzehren!«
»Nein!«, schrie Sebastian in Todesangst auf und wollte sich aufbäumen. Doch
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