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Das Kloster der Ketzer

Das Kloster der Ketzer

Titel: Das Kloster der Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M Schroeder
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Wie soll ich das bewerkstelligen mit nur einem Pferd? Und sehe ich vielleicht wie ein Muskelmann von Flößer aus, der dich wie einen Sack Federn hochheben könnte? Außerdem will ich mich nicht mit dem Domherrn und seiner Bande anlegen. So ein Niemand wie ich kommt da nur mit unter die Räder!«
    Sebastian gab einen gequälten Laut von sich. »Bitte!«, krächzte er inständig und streckte einen Arm aus, als wollte er den Umhang des Boten zu fassen bekommen, um ihn festzuhalten. »Bitte! … Hab Erbarmen! … Hilf mir! Ich werde dich... auch gut bezahlen!«
    Hastig trat Lukas zurück. »Glaubst du vielleicht, du könntest mich davon abhalten, dir auch so alles abzunehmen, was du bei dir hast?«, schnaubte er, um dann sofort mürrisch hinzuzufügen: »Aber schon gut, ich werde sehen, was ich tun kann...«
    »Danke!«
    »Mach dir bloß nicht zu viel Hoffnung!«, mahnte Lukas verdrossen und verschwand aus Sebastians Blickfeld, um kurz darauf mit seinem Pferd zurückzukommen. »Also, versuchen wir es. Aber allein kriege ich dich nie und nimmer in den Sattel! Wenn du mir nicht dabei hilfst, aufs Pferd zu kommen, muss ich dich hier zurücklassen!«
    Sebastian musste alle Willensstärke und seine letzten Kraftreserven
aufbieten, um mit der Hilfe des eigenartigen Jungen aus Passau auf die Beine zu kommen. Es war ein qualvolles Unterfangen, kalter Schweiß brach ihm aus allen Poren und vor Schmerz schwanden ihm fast wieder die Sinne.
    »Die Tasche! … Vergiss nicht... die Ledertasche... mit der Bibel!«, stieß er noch hervor, während er über dem Hals des Pferdes zusammensackte.
    Lukas erwiderte etwas, doch das Blut rauschte derartig heftig in Sebastians Ohren, dass ihn nur unverständliche Laute erreichten. Wenig später spürte er, dass Lukas seine Beine mit Stricken oder Stoffstreifen rechts und links an den Sattelgurt band, damit er nicht vom Pferd fallen konnte.
    »So, mehr kann ich nicht für dich tun. Bete zu Gott, dass du bis Kreutersroth durchhältst!«, sagte Lukas und warf sich einen unförmigen, dicken Beutel über die linke Schulter, der aus flaschengrünem Wollstoff bestand – aus demselben Stoff, aus dem Elmars Umhang gearbeitet gewesen war. Dann nahm er die Zügel auf und führte das Pferd hinter sich her.
    Sebastian klammerte sich in die Mähne des Pferdes und versuchte verzweifelt, nicht wieder das Bewusstsein zu verlieren, aber sein Wille war der feurigen Wut seiner Schmerzen nicht gewachsen. Zwar gab ihn das betäubende Dunkel, das ihn umfing und dem Tod näher zog, dann und wann wieder frei, aber immer nur für eine flüchtig kurze Zeitspanne, nicht länger als ein paar wenige Augenblicke.
    Als er wieder einmal das Bewusstsein zurückerlangte, erschrak er, denn er sah, dass der Braune stand und Lukas sich schon einige Schritte von ihm entfernt hatte.
    »Lauf nicht weg!«, flehte er, von panischer Angst erfasst. »Lass mich nicht zurück!«
    »Beruhige dich, ich laufe schon nicht weg! Glaubst du vielleicht, ich lass mein Pferd zurück? Ich muss mal pinkeln, verdammt
noch mal! Und so lange wirst du dich schon gedulden müssen!«, kam es derb von Lukas zurück, während er hinter einem niedrigen Gebüsch verschwand.
    Das Pferd machte zwei, drei Schritte auf das Gebüsch zu, wohl angelockt von dem frischen Grün an den Zweigen. Sebastian schwankte im Sattel hin und her und spürte, wie ihm wieder die Sinne zu schwinden begannen. Er sah mit flatternden Lidern, wie Lukas sich erleichterte, und registrierte gerade noch, dass graue Lichtschlieren sich im Osten ihren Weg in die Schwärze des Himmels bahnten. Der neue Tag dämmerte herauf. Doch für ihn wurde es Nacht, die ihn diesmal nicht wieder freigeben wollte.

7
    Wie Mehl und Milch, die sich in einem Kochtopf bei zunehmender Hitze und unter ständigem Rühren allmählich verbinden, so flossen bei Sebastian groteske Fieberfantasien und gewöhnliche Eindrücke der Wirklichkeit ineinander, vermengten sich, lösten sich in ihre Bestandteile auf und formten in seinem Kopf neue bizarre Szenen und Bilder.
    In seinen Fieberträumen verfolgte ihn anfangs eine runzlige alte Frau, deren lange graue, spinnwebengleiche Haarsträhnen sich immer dann in Feuerzungen verwandelten, wenn sie sich über ihn beugte. Ihr fauliger Atem stank nach Moormoder, und anstelle von Händen hatte sie Klauen mit langen, scharfen Nägeln, die sie wie ein Raubvogel in seinen wunden Körper schlug.
    Wehrlos war er den Quälereien dieser Hexe ausgeliefert,
lag er doch an Armen und Beinen

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