Das Kloster der Ketzer
energischen Schritten den Gang hochkam. Weiter oben ging gerade Bruder Scriptoris mit dem Kräuterbruder Eusebius den Treppenaufgang hinauf.
Die Dämmerung war nicht mehr fern und es fiel nur noch wenig Licht durch die Hoffenster in den Gang. Die Schatten ergriffen immer mehr Besitz von den Räumen und Fluren hinter den dicken Mauern.
Aber dass Pachomius am Treppenaufgang beinahe über den Kater Cato gestolpert und zu Boden gestürzt wäre, lag nicht allein an dem schwachen Licht, sondern wohl auch daran, dass er in seinen Gedanken mit ganz anderen Dingen beschäftigt war. Ungeheuerlichen Dingen, die irgendetwas mit ketzerischen Flugblättern zu tun hatten.
Er stockte abrupt, als ihm der Kater durch die Beine hindurch huschte. Und der Krug auf dem kleinen Rundtablett schwankte bedenklich. Noch im letzten Moment bekam Pachomius den Henkel zu fassen. Was er jedoch nicht verhindern konnte, war, dass ein kleiner Schwall Milch dabei über den Rand des Gefäßes schwappte und am Fuß der Treppe eine kleine Lache bildete.
Der Novizenmeister und Bruder Eusebius blieben kurz oben auf dem Absatz stehen und sahen zu ihnen hinunter, enthielten sich jedoch jeden Kommentars.
Der Prior stand im nächsten Moment bei Pachomius. »Passt gefälligst besser auf! Ihr habt Eure Augen auf den Boden zu richten, nicht in die Wolken!«, wies er ihn leise, aber scharf zurecht. »Und jetzt seht zu, dass Ihr seine Seligkeit nicht länger auf seinen Schlaftrunk warten lasst!«
Mit hochrotem Kopf stammelte Pachomius so etwas wie eine zerknirschte Entschuldigung und beeilte sich dann, die Treppe in den zweiten Stock hinaufzueilen. Dabei hielt er den Henkel des Milchkrugs mit der rechten Hand fest umklammert, um ein weiteres Missgeschick schon im Ansatz vereiteln zu können.
Indessen wandte sich der Prior an Sebastian. »Und Ihr besorgt
Euch einen Lappen aus der Küche und wischt diese Milchpfütze auf!«, befahl er ihm.
Sebastian nickte, lehnte den Besen gegen das steinerne Treppengeländer und begab sich in die Küche, um einen Aufwischlappen zu holen. Als er zum Treppenaufgang zurückkehrte, hatte der Prior sich schon vom Ort des Missgeschicks entfernt. Dafür fand er Cato am Fuß der Treppe vor. Genüsslich kauerte der Kater über der Milchpfütze und leckte die mit Honig reich gesüßte, warme Flüssigkeit vom Boden auf.
Bei dem Anblick schlich sich ein Lächeln auf Sebastians Gesicht, und er hielt Abstand zum Kater, um ihn nicht zu vertreiben. »Lass es dir nur in Ruhe schmecken, Cato. Was dem Abt mundet, soll wohl auch dem stolzen Kater unter den Klosterkatzen recht sein«, murmelte er und wartete, bis Cato die Milch aufgeschleckt hatte, was schnell geschehen war. Der Kater leckte sich mehrfach über das Maul und trollte sich dann mit sanftpfotigem Wiegeschritt.
Sebastian wischte mit dem Lappen über die Stelle, obwohl der Kater die Arbeit eigentlich schon für ihn erledigt hatte, nahm dann seinen Besen wieder auf und fegte durch den Gang, wie es ihm Bruder Cäsarius aufgetragen hatte. Als er zum Küchenbruder zurückkehrte, fand dieser zu seinem stummen Groll noch weitere Arbeiten für ihn, die eigentlich zu den Pflichten von Bruder Candidus gehörten. Doch dieser ließ sich einfach nicht mehr in der Küche blicken, so dass Sebastian gar nichts anderes übrig blieb, als sich in das Unvermeidliche zu schicken und diese Aufgaben auch noch zu erledigen.
Bruder Cäsarius hielt ihn mehr als eine halbe Stunde über das Ende seiner eigentlichen Arbeiten hinaus in der Küche fest. Sebastian beeilte sich damit, so gut er konnte. Aber dass er nicht pünktlich zum heimlichen Treffen mit Pachomius in der Kapelle eintreffen würde, darüber machte er sich schon
keine Illusionen mehr, als der Küchenmönch ihm auch noch den Kessel zum Säubern zuschob, in dem er die Milch beim ersten Mal hatte anbrennen lassen. Er baute jedoch darauf, dass Pachomius genug Verstand hatte, um zwei und zwei zusammenzuzählen und zu wissen, dass er noch in der Küche aufgehalten worden war, und dass er in der Kapelle eine Weile auf ihn warten würde. Schon weil er ihm seine Entdeckung, was immer es damit auch auf sich haben mochte, ja unbedingt noch vor der Nachtruhe mitteilen wollte und seinen Rat suchte.
Den dumpfen Schlag hörte Sebastian nicht, dafür aber den gellenden Schrei blanken Entsetzens, der im nächsten Moment über den abendlichen Klosterhof schallte und jedem, der ihn hörte, durch Mark und Bein ging. Und jeder ließ augenblicklich stehen und
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