Das Kloster (German Edition)
Untergang fand, denn der englische Ritter konnte im letztern Falle recht wohl sich für verpflichtet erachten, ihnen seinen Schutz fernerhin angedeihen zu lassen. Fiel hingegen der Ritter, so konnte wahrscheinlich nichts die Rache hintanhalten, die der Abt und das Kloster an den Vasallen nehmen würden, in deren Haus ihr Gast statt Beschützer Mörder gefunden hatte! Dieser Gedanke, daß den Seinigen auf jeden Fall, gleichviel, welchen Ausgang der Zweikampf für ihn nähme, Not und Verderben erwachsen müßten, wandelte jeden Strohhalm seines Lagers zu einem scharfen Dorn und jagte allen Frieden aus seinem Gemüt und allen Schlaf aus seinen Augen.
Und nur ein einziger Weg zeigte sich ihm aus diesem Wirrsal, aber es war ein Weg herber Erniedrigung, und ein Weg, nicht frei von Gefahr, selbst wenn er ihn wandelte. Er mußte dann dem englischen Ritter bekennen, durch welche seltsamen Umstände er bestimmt worden war, ihm die silberne Nadel zu zeigen, und von wem er sie bekommen hatte. Aber zu solchem Bekenntnis konnte sich sein Stolz nicht herablassen, und dann mußte er sich auch sagen, wenn er seinen Verstand dabei zu Rate zog, – und Verstand ist in solchen Fällen doch immer gar zu sehr geneigt, Stolz zu beraten – daß solche Erniedrigung ebenso unnütz wie überflüssig sein würde; »denn erzähle ich,« dachte er bei sich, »solch seltsame Geschichte, so werde ich doch unfehlbar entweder als Lügner gebrandmarkt oder als Zauberer bestraft, und wenn Sir Piercie Shafton so großmütig und edel wäre wie die Kämpen in Romanen, dann ließe sich vielleicht sein Ohr gewinnen und aus der Lage gelangen, in der ich stecke, ohne daß ich mich erniedrigen müßte, aber er ist doch so eingenommen von sich, so eitel und anmaßend und hochmütig, daß ich mich ganz ohne Frage vergeblich vor ihm beugen würde ... nein,« rief er plötzlich energisch und war mit einem Satze aus dem Bett, »ich beuge mich nicht!« und er packte sein großes Schlachtschwert und schwang es in dem Mondschein, der sich durch die offne Nische ergoß, die als Fenster diente ... als er zu seinem namenlosen Entsetzen dicht vor sich ein luftiges Gebilde erblickte, dessen flüchtig und leise wie ein Hauch zu ihm herüber dringende Stimme ihn im Nu dahin aufklärte, daß er die weiße Frau wieder vor sich hatte. Um so grausiger war ihm ihr Anblick, als sie diesmal ihm ungerufen erschien; es war ihm, als wecke sie Ahnungen in ihm von einem unmittelbar bevorstehenden Unglück, und der Gedanke, daß er sich mit einem Dämon verbrüdert habe, über dessen Macht und Eigenschaften er sich vollständig im unklaren befand, war von so furchtbarer Wirkung auf ihn, daß er vom Schreck wie gefesselt war und wie entgeistert die Gestalt anstarrte, die den Vers hersang oder im rhythmischen Maße hersprach:
Nicht vor Blutvergießen beben
Darf, wer Rache sinnt, denn eben
Knoten, die die Zunge fitzte,
Löst man nur mit Schwertes Spitze.
»Hebe Dich weg von mir, Du falscher Geist!« rief Halbert, »hab ich Deinen Rat doch schon so teuer erkauft! ... Fort, fort von mir, Du trügerisches Gebilde! fort, fort im Namen Gottes!«
Das Gespenst schlug eine gräßliche Lache auf, und ihr schriller Klang hörte sich weit grausiger an, als der sonstige so melancholische Laut seiner Stimme:
Du riefst mich einmal, riefst mich zweimal zu Dir,
Und ungerufen steh ich jetzund hier.
Du kamest ungebeten, unbegehrt ins Tal,
Und ungebeten, unbegehrt komm ich nun mal.
Vor Schreck schier außer sich, rief Halbert seinem Bruder zu:
»Edward, Edward! wache auf, wache auf! Siehst Du denn niemand in der Stube?«
Edward richtete sich auf und sah sich um.
»Nein,« sagte er, »ich sehe nichts.«
»Was? nichts auf dem Boden vor Dir im Mondschein?« fragte Halbert.
»Nein, ich sehe nichts, nichts als Dich, gestützt auf Dein bloßes Schwert. Glaub mir, Halbert, Du solltest mehr Deinen geistigen Waffen vertrauen als den Waffen von Stahl und Eisen, die Du so liebst. In so mancher Nacht schon bist Du aus Deinem Schlafe aufgefahren und hast laut gesprochen von Schlachten und Gespenstern und Kobolden, hast keine Erquickung im Schlafe gefunden, hast Dich gewälzt von einer auf die andre Seite. Glaub mir, Halbert, bete Dein Vaterunser und Dein Credo, gib Dich in Gottes Obhut, und Du wirst gesund schlafen und gestärkt erwachen.«
»Das kann schon sein,« antwortete Halbert langsam, aber sein Blick wich nicht von der weißen Gestalt, die in voller Sichtbarkeit vor ihm stand, »das kann schon sein.
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