Das knallrosa Tagebuch: Das knallrosa Tagebuch
hatten heute abend schrecklichen Zoff. Wegen mir. Als sie beide reinkamen, hat Marsha »Hallo« zu mir gesagt. Ich habe auch »Hallo« gesagt und dann Jeff angesehen. Er schaute weg und ging in die Küche. Marsha ist ihm gefolgt und hat ihn geschlagen. Ich weiß, daß sie ihn geschlagen hat, weil ich Jeff »Autsch!« schreien hörte. Dann hat sie geredet wie ein Wasserfall. Das meiste habe ich nicht verstanden. Doch nachdem ich einen Teil mitbekommen hatte, fühlte ich mich gleich viel besser.
Marsha sagte zu Jeff, daß ich sein Bruder bin. Daran kann nichts etwas ändern. Ich bin der gleiche Mensch wie immer, aber er hat jetzt die Gelegenheit, mich ein bißchen besser zu begreifen. Jeff meinte, »das« will er nicht begreifen. Marshas Antwort war so leise, daß ich nicht alles verstanden habe. Ich glaube, es war: »Wenn du ihn liebst, versuchst du es.«
Danach ist Jeff ganz still geworden. Marsha hat weitergeredet. Ich habe nur Satzfetzen gehört. Zum Beispiel; »Er braucht dich jetzt.« Und; »Er war immer für dich da.«
Ich glaube nicht, daß Marsha viel bewirkt hat. Jeff ist rausgekommen und an mir vorbeigelaufen, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Marsha blickte mich an und zuckte die Schultern. Ich habe so das Gefühl, daß Jeff sich noch einiges anhören muß. Sie ist nach ihm rausgegangen. Die beiden sind noch nicht zurück.
25. Mai
Heute ist was Komisches passiert. Anscheinend habe ich den Gong nach der Geschichtsstunde überhört, weil ich in mein Heft gekritzelt habe. Alle sind aufgestanden und gegangen. Als ich hochgeschaut habe, war ich mit Mr. Mariner allein im Zimmer. Er hat mich nur merkwürdig angeschaut - so wie mich alle in letzter Zeit merkwürdig anschauen. Dann ist er zu mir rübergekommen und sagte: »Deine Note wird immer besser. Smithie.« Ich wußte nicht, was ich darauf antworten soll. Im Augenblick habe ich wirklich anderes im Kopf als meine Geschichtsnote. Ich glaube, er wußte das, denn er wirkte ziemlich verlegen. Ich habe angefangen, mein Zeug zusammenzupacken. Als mir mein Stift runtergefallen ist, hat er ihn aufgehoben. Er hat ihn mir zurückgegeben, und unsere Hände haben sich kurz berührt. Ich habe meine schnell weggezogen. Er tat, als hätte er es nicht bemerkt. Dann fing er an, von der Prüfung über die Weltwirtschaftskrise zu reden, die wir morgen schreiben. Ich habe zugesehen, wie seine Lippen sich bewegten, und versucht, mich an damals zu erinnern -als ich ihn nur anzuschauen brauchte, um glücklich zu sein.
Er hat mich zu meinem Spind begleitet. Als wir davorstanden, wäre ich am liebsten gestorben. Jemand hatte einen Zettel mit der Aufschrift »SCHWUCHTEL« draufgeklebt. Drunter war eine Zeichnung von einem Typen, der einem anderen seinen Schwanz in den Mund steckt, dazu die Zeile: »Das macht Ben an«. Ich habe mir gewünscht, daß der Erdboden mich verschlingt. Es war mir so peinlich. Ich knüllte den Zettel zusammen und stopfte ihn in meinen Spind. Dann habe ich ein paar Sekunden gewartet, bevor ich mich nach Mr. Mariner umgedreht habe, weil ich gar nicht sehen wollte, wie er darauf reagiert. Aber ich hätte mir keine Sorgen zu machen brauchen. Mr. Mariner war weg. Ich war erleichtert. Und traurig.
26. Mai
Habe heute mittag mit Lesly und Ralph gegessen. In der Cafeteria. Zum erstenmal seit langem. Ralph und Lesly waren ganz cool. Ralph hat mich morgen abend zum Videogucken zu sich nach Hause eingeladen. Es war zum Schießen. Ein paar Drittkläßler am anderen Ende des Tisches haben uns (mich) ständig angestarrt. Lesly ist zu ihnen rüber und hat gefragt, warum sie nicht gleich »ein Foto machen«. So hätten sie länger was davon. Ralph und ich haben beide einen Lachanfall gekriegt. Ein paar Sekunden lang habe ich die ganze Scheiße vergessen, die in den letzten Wochen passiert ist. Ein schönes Gefühl.
27. Mai
Scheißabend. Ich war bei Ralph, um Videos zu gucken. Alles lief wunderbar, bis Ralphs Mutter reinkam. Als sie mich da sitzen sah, sind ihr fast die Augen aus dem Kopf gefallen. Sie hat Ralph ins andere Zimmer gerufen und ihn zur Sau gemacht, weil er mich eingeladen hat. Sie hat sich nicht mal Mühe gegeben, leiser zu sprechen. Ich hatte den Eindruck, daß ich es sogar hören sollte. Sie fragte Ralph, was er sich dabei gedacht hat, mich einzuladen. Ob er etwa durch mich noch kränker werden wolle? Ganz bestimmt hätte ich Aids. Sie wolle nicht, daß ich auf ihren Stühlen sitze, ihr Klo benütze, aus ihren Gläsern trinke, gar nichts. Dann hat sie
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